1. Gesetzliche Regelung

Nach Vorbem. 3.2.1 Nr. 2b VV ist Teil 3 Abschn. 2 Unterabschn. 1 VV auch in Verfahren über Beschwerden gegen die Endentscheidung wegen des Hauptgegenstandes in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass dem Verfahrensbevollmächtigten in solchen Beschwerdeverfahren nicht die für Beschwerden allgemein vorgesehene 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV anfällt, sondern – ebenso wie in einem Berufungsverfahren in einer Zivilsache – die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV. Diese Gebühr erhält der Verfahrensbevollmächtigte nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information.

Endet der Auftrag des Rechtsanwalts, ohne dass er eine der in Nr. 3201 VV aufgeführten Tätigkeiten ausgeübt hat, fällt die Verfahrensgebühr nur mit einem Gebührensatz von 1,1 an. Dies gilt nach Abs. 2 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dann, wenn eine eingeschränkte Tätigkeit des Anwalts vorliegt, etwa wenn sich seine Tätigkeit auf die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels und die Entgegennahme der Rechtsmittelentscheidung beschränkt.

2. Anfall der 1,6-Verfahrensgebühr

Das OLG Braunschweig hat darauf hingewiesen, dass im Erbscheinsverfahren der im Beschwerdeverfahren tätige Rechtsanwalt grds. die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV verdient (OLG Köln RVGreport 2019, 139 [Hansens] = JurBüro 2019, 246; OLG Jena, Beschl. v. 23.2.2016 – 1 W 84/16; OLG Stuttgart ZEV 2014, 356; OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.5.2017 – 20 W 2/16). Soweit die gegenteilige Ansicht dem Rechtsanwalt in einem Erbscheins-Beschwerdeverfahren lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV zugebilligt hat (s. OLG München RVGreport 2006, 307 [Hansens] = AGS 2006, 475 m. Anm. N. Schneider), beruhe dies auf der vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG geltenden Fassung des RVG. Mit Wirkung zum 1.8.2013 seien die Beschwerden in Erbscheinsachen gebührenrechtlich der Berufung in einer Zivilsache gleichgestellt (s. OLG Stuttgart ZEV 2014, 356; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, Nr. 3500 VV RVG Rn 4).

Folglich reicht es nach den weiteren Ausführungen des OLG Braunschweig für den Anfall der 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV im Erbscheins-Beschwerdeverfahren grds. aus, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdegegners beauftragt ist und im Beschwerdeverfahren tätig geworden ist. Hierzu genüge es, dass der Rechtsanwalt über die bloße Entgegennahme der Beschwerdeschrift hinaus eine der folgenden Tätigkeiten ausgeübt habe: Die pflicht- und auftragsgemäße Prüfung der Beschwerdeschrift, ob etwas für seinen Mandanten zu veranlassen sei, das Einreichen eines Schriftsatzes oder das Stellen eines Antrags (s. OLG Köln und OLG Stuttgart, je a.a.O.).

3. Keine ermäßigte Verfahrensgebühr

Demgegenüber ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nach Auffassung des OLG Braunschweig nicht lediglich die 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV angefallen. Eine eingeschränkte Tätigkeit i.S.v. Abs. 2 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3201 VV liege nur dann vor, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit auf die Einlegung und Begründung der Beschwerde sowie die Entgegennahme der gerichtlichen Entscheidung, die gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG ohnehin zum vorherigen Rechtszug gehört, beschränke.

Der Gesetzgeber habe nämlich dem Rechtsanwalt im Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht in allen Fällen die 1,6-Verfahrensgebühr zugestehen wollen. Zwar solle der Rechtsanwalt eine höhere Vergütung erhalten als vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG die 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV. Bleibe es jedoch bei der Rechtsmitteleinlegung und seiner Begründung und müsse der Rechtsanwalt jedoch darüber hinaus keine weiteren Tätigkeiten entfalten als später die Entscheidung des Gerichts entgegenzunehmen, solle seine Tätigkeit mit der 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV angemessen vergütet sein. Das OLG Braunschweig hat auf die Gesetzesbegründung verwiesen, nach der mit dieser Regelung insbesondere die einseitigen Verfahren erfasse. Häufig gebe es nämlich in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keinen echten Gegner, der sich beteilige oder der sich gegen ein Rechtsmittel wehre. In anderen Fällen gebe es zwar einen Gegner, der sich jedoch am Verfahren nicht beteilige, sodass die Beschwerdesache einseitig bleibe und der Anwalt es nur mit dem Gericht zu tun habe. In solchen Fällen solle die Tätigkeit des Rechtsanwalts mit einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV vergütet werden (s. N. Schneider, NJW 2014, 982, 984; OLG Stuttgart, a.a.O.).

Werde der Rechtsanwalt hingegen weiter tätig, in dem er etwa Schriftsätze wechsele, widerstreitenden Anträge stelle oder zu Hinweisen des Gerichts schriftsätzlich Stellung nehme oder gar einen Termin wahrnehme, greife die Ermäßigungsregelung der Nr. 3201 VV nicht ein. In solchen Fällen erhalte der Rechtsanwalt die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV.

4. Keine Ungleich...

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