Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft gem. § 464b S. 3 StPO, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG und auch i.Ü. zulässig, insbesondere binnen der Zwei-Wochenfrist des § 464b S. 4 StPO erhoben worden. Entgegen der in der Abhilfeentscheidung geäußerten Ansicht des AG ist der Beschwerdewert des § 304 Abs. 3 StPO erreicht worden. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 625,25 EUR.

2. Die sofortige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.

a)

aa) Der Beschwerdeführer begehrt im Beleidigungs-Verfahren für den Hauptverhandlungstermin v. 8.8.2019 eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV. Eine solche Terminsgebühr entsteht je Hauptverhandlungstag in den in Nr. 4106 VV genannten Verfahren, also im ersten Rechtszug vor dem AG. Diese Gebühr ist vorliegend dem Grunde nach verdient.

Denn im Hauptverhandlungstermin v. 8.8.2019 wurden die verbundenen Verfahren "Beleidigung" und "Stiefkinder" zwar erst gemeinsam verhandelt, anschließend jedoch noch im Hauptverhandlungstermin getrennt, ersteres Verfahren ausgesetzt, letzteres nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

Werden miteinander verbundene Verfahren noch im Hauptverhandlungstermin getrennt, entsteht auch für das abgetrennte Verfahren eine Terminsgebühr für diesen Hauptverhandlungstag. Denn dann hat auch im abgetrennten Verfahren an diesem Tag eine Hauptverhandlung stattgefunden (vgl. auch Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., 2019, 4108, Rn 3; für die Verfahrensverbindung nach Aufruf der Sache Burhoff, a.a.O., Rn 12; Knaudt, in: BeckOK RVG, 47. Edition, Stand: 1.3.2020, VV 4108, Rn 13; vgl. allgemein zur Verfahrensverbindung und -trennung Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl., 2019, VV Vorbemerkung 4, Rn 37). Denn der Hauptverhandlungsbegriff ist rein formal zu verstehen. Selbst wenn – so vorliegend – in der abgetrennten Sache der Hauptverhandlungstermin an diesem Tag nur sehr kurz gedauert hat, berechtigt das nicht, dem Verteidiger die Gebühr Nr. 4108 VV zu versagen. Vielmehr ist dies im Rahmen der Gebührenhöhe zu berücksichtigen.

bb) In der Höhe wurde eine Gebühr von 70,00 EUR verdient.

Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG). Wenn sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen, fällt die Mittelgebühr an (Mayer, in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl., 2019, § 14, Rn 10).

Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Dritter ist auch die Staatskasse (Mayer, in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl., 2019, § 14, Rn 7). Das Beschwerdegericht ist damit auf die Prüfung beschränkt, ob die geltend gemachte, vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr sich innerhalb des Gebührenrahmens hält und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist (ebd.).

Hier eine Terminsgebühr von 275,00 EUR zu bestimmen, ist unbillig. Billig ist eine Terminsgebühr i.H.v. 70,00 EUR. Denn nach der Trennung wurde im Hauptverhandlungstermin von 8.8.2019 betreffend das Beleidigungs-Verfahren nur noch der Aussetzungsbeschluss verkündet. Dies rechtfertigt es, am untersten Ende des Gebührenrahmens zu bleiben.

b)

Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren entsteht für eine Tätigkeit in dem Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift, Nr. 4104 VV.

Die vom Beschwerdeführer bestimmte Höhe der Gebühr von 165,00 EUR ist unbillig. Billig ist eine Gebühr i.H.v. 100,00 EUR (zu den Bemessungsgrundlagen im Rahmen § 14 Abs. 1 RVG s. II. 2. a) bb)).

Zwar war der Aktenumfang mit 38 Seiten bis Anklageerhebung überschaubar. Auch die Deliktskategorien rangierten eher im Bereich der unteren Kriminalität (Beleidigung und Bedrohung), wenngleich auch eine Körperverletzung – jedoch mit geringen Folgen – dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde. Gebührenerhöhend wirkte sich jedoch aus, dass Beschwerdeführer und Anzeigenerstatterin sich persönlich kannten. Sie waren getrenntlebende Eheleute. Die Tatvorwürfe hatten ihre Ursache in einem schon vor längerer Zeit eskalierten Familienkonflikt. Die emotionale Beteiligung war damit ungleich höher im Vergleich zu einer beliebigen Wirtshausschlägerei zwischen Trinkkumpanen oder einander Unbekannten. Auch hätte der Beschwerdeführer als Strafvollzugsbeamter im Verurteilungsfall mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, was die individuelle Bedeutung des Verfahrens für den Beschwerdeführer zeigt und ...

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