Die nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG, § 569 Abs. 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Das ArbG hat der Erinnerung des Beschwerdeführers zu Recht nicht abgeholfen. Der Beschwerdeführer hat gegen die Landeskasse keine Gebührenansprüche, die nach § 55 RVG festzusetzen wären. Der Klägervertreter hat ab der Beiordnung und vor Abschluss des Verfahrens mit Ablauf der Widerrufsfrist in dem Vergleich keine einen Gebührenanspruch gegen die Landeskasse begründende Tätigkeit mehr vorgenommen.

1) Der gegen die Landeskasse gerichtete Gebührenanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich nach dem Beschluss, durch den PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, § 48 Abs. 1 RVG. In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass nur Handlungen des Rechtsanwalts, die während seiner Beiordnung vorgenommen wurden, einen Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse begründen können (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 26.6.2012 – 17 Ta (Kost) 6078/12, Rn 5; LAG Nürnberg 28.1.2011 – 7 Ta 96/10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., 2017, § 48 Rn 113).

a) Nach § 114 S. 1 ZPO kann PKH lediglich für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden. Nach § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von PKH eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt vor, dass sich die Parteien für die Erklärung der amtlichen Vordrucke zu bedienen haben. Grds. kann erst zu dem Zeitpunkt, in dem diesen Anforderungen genügt ist, PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche und Zumutbare getan hat (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 14.8.2012 – 26 Ta 1230/12, Rn 17). Soweit die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse die Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des PKH-Antrags erbracht hat. Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von PKH nicht mehr möglich (vgl. BAG v. 5.12.2012 – 3 AZB 40/12, Rn 8).

b) Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der PKH. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der PKH vorgenommen, so hängen die Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten – etwa durch einen Vorschuss gem. § 9 RVG – deckt. Eine weiter rückwirkende Bewilligung diente nur noch dazu, einem Prozessbevollmächtigten durch die nachträgliche Bewilligung von PKH einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Das ist nicht Zweck der PKH (vgl. BAG v. 5.12.2012 – 3 AZB 40/12, Rn 9; v. 16.2.2012 – 3 AZB 34/11, Rn 14; v. 3.12.2003 – 2 AZB 19/03, zu II 2 b der Gründe).

c) Abgeschlossen ist die Instanz hinsichtlich der Bewilligung von PKH für einen Vergleich erst dann, wenn die mündliche Verhandlung, in der der Vergleich protokolliert wird, geschlossen ist. Zwar endet die Rechtshängigkeit in der Hauptsache mit dem Abschluss des Vergleichs. Vor dem Vergleichsschluss steht jedoch nicht endgültig fest, ob ein Vergleichsmehrwert anfällt, sodass die Bewilligung von PKH hierfür erst nach dem Vergleichsschluss erfolgen kann. Deshalb genügt es, auch den Antrag, PKH für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen (vgl. BAG v. 16.2.2012 – 3 AZB 34/11, Rn 15 [= AGS 2012, 406]).

d) Ausnahmsweise kommt allerdings auch dann, wenn der Rechtsstreit in der ersten Instanz beendet ist und bis zur Beendigung des Rechtsstreits lediglich ein Antrag ohne die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei vorlag, eine rückwirkende Bewilligung von PKH in Betracht, wenn das Gericht der Partei eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Erklärung gesetzt hat und diese eingehalten worden ist (vgl. BAG v. 3.12.2003 – 2 AZB 19/03, Rn 10) oder wenn die Partei ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Einreichung der Erklärung gehindert war und diese unverzüglich nachreicht (vgl. BAG v. 8.11.2004 – 3 AZB 54/03, Rn 14; LAG Berlin-Brandenburg v. 6.4.2018 – 21 Ta 322/18, Rn 14 m.w.N.).

e) Dies gilt insbesondere dann, wenn die Partei alles Erforderliche und ihr Zumutbare getan hat, um die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse rechtzeitig innerhalb der ihr gewährten Nachfrist bei Gericht einzureichen, die Erklärung aber gleichwohl verspätet eintrifft. Das durch die Gewährung der Nachfrist geschaffene Vertrauen erstreckt sich auch darauf, dass unter diesen Umständen...

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