Wie es Euch gefällt (Shakespeare, Uraufführung 1599)

Sie kommt gewichtig daher, diese auch wahrhaft wichtige Entscheidung des IX. Senats des BGH, gewichtig vom Umfang, aber ebenso gewichtig auch vom Inhalt. Und wie erste Kommentare erkennen lassen, gilt gleichwohl auch hier: Der Vorhang fällt und viele Fragen bleiben offen.

Ganz besonders pointiert stellt Luehrig im Anwaltsblatt die Grundsatzfrage: "Wie stark mißtraut der BGH den Anwälten?"[1]

Und noch provokanter könnte man die Frage formulieren:

Was veranlasst eigentlich die Rspr., ausgerechnet bei mehr oder weniger ausgewiesenen Straftätern eine besondere Fürsorgepflicht zu entfalten und sich lang und breit darüber Gedanken zu machen, ob es gerechtfertigt sei, das zu Beginn der Strafverteidigung frei ausgehandelte Honorar dem Strafverteidiger ohne Wenn und Aber zu belassen?

Auch hier sollte doch eigentlich gelten: Wer eine Vergütungsvereinbarung mit einem Rechtsanwalt mit einem bestimmten Stundensatz abschließt, weiß, was ihm droht, weiß, was kompetente Strafverteidigung bedeutet, und ist sich darüber bewußt, dass auch die Höhe des Strafverteidigerhonorars möglicherweise eine Konsequenz seines inkriminierten Verhaltens ist.

Eine Erklärung könnte sicherlich sein, dass auch die Richter am BGH – in der Regel ebenfalls frei von anwaltlichen Erfahrungen – sich nicht so recht vorstellen können, wie besitzergreifend Mandanten insbesondere in einer derart sensiblen Situation der Strafverfolgung sein können und wie intensiv sie im wahrsten Sinne des Wortes die Zeit ihres Verteidigers auch für eine Art seelsorgerische Gespräche in Anspruch nehmen. Dies wirkt sich naturgemäß auf die Zahl der abgerechneten Stunden ab.

Eine andere, leider von der Anwaltschaft ebenfalls einzuräumende Erklärung ist die, dass es – noch nicht all zu häufig, aber mit steigender Tendenz – Rechtsanwälte gibt, die Stundenabrechnungen generieren, die jenseits von Gut und Böse sind.

Da finden sich ganze Blöcke von Zeitintervallen, die überhaupt nicht nachvollziehbar sind, oder es werden für die Lösung einfachster juristischer Fragen dort praktisch ganze Tage abgerechnet, wo der kompetente Anwalt mit höchstens einer Stunde ausgekommen wäre.

Hier stellt sich allerdings die Frage, ob ein derartiges, auch von den meisten Rechtsanwälten ausdrücklich missbilligtes Abrechnungsverhalten nicht weniger dem Vergütungsrecht als dem Strafrecht zuzuordnen ist.

Wie dem auch sei, auch das RVG in seiner aktuellen Fassung hält an dem Grundsatz fest, dass sich auch frei ausgehandelte Vergütungsvereinbarungen der Prüfung unterziehen lassen müssen, ob sie unangemessen hoch sind oder nicht.

Der IX. Senat musste sich demgemäß der Aufgabe stellen, unter Beachtung der Entscheidung des BVerfG[2] kriteriengenau diese Fragestellung zu entwickeln, nachdem ihm eine denkbar "einfache Lösung" durch eben dieses BVerfG verstellt worden war.[3]

Die dargebotene Lösung ist so vielschichtig, dass sich die unterschiedlichsten Interessegruppen für ihren jeweiligen Interessenstandpunkt auf genau diese Entscheidung berufen werden.

Alleine innerhalb der Anwaltschaft lassen erste Stimmen eine höchst unterschiedliche Beurteilung erkennen. Während die einen konstatieren, dass der BGH grundsätzlich den im Januar 2005 eingeschlagenen Weg weitergegangen sei und dem BVerfG nur soviel Referenz erwiesen habe wie gerade noch nötig,[4] halten andere die "Fünffach-Grenze" für endgültig erledigt und loben den BGH für eine perfekte Bedienungsanleitung zur Erstellung von sicheren Vergütungsvereinbarungen.[5]

Die Wahrheit dürfte – wie so oft im Leben – in der Mitte liegen: Die Anwaltschaft dürfte die einzige Berufsgruppe bleiben, deren Verträge nicht nur über den Vorwurf der Sittenwidrigkeit oder über eine berechtigte Anfechtung zu Fall gebracht werden können, sondern schon dann, wenn man die Höhe einer frei vereinbarten Vergütung als auch nur unangemessen bewertet.

Dies ist allerdings sicherlich nicht der Rspr. vorzuwerfen, sondern dem Gesetzgeber, der offenbar ebenfalls von dem von Luehrig beklagten Misstrauen gegen ein Organ der Rechtspflege ergriffen ist. So oft das anwaltliche Gebührenrecht insbesondere in den letzten Jahren reformiert worden ist, die Möglichkeit der Herabsetzung bei Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung ist stets geblieben.

Vorgeworfen werden kann der Rspr. also nur das, was sie aus diesem Gesetz macht, und hier ist in der Tat zunächst einmal zu beobachten, dass auch der IX. Senat versucht, eine Mäßigung um der Mäßigung willen durchzusetzen, also etwas, was das BVerfG eigentlich ausdrücklich gerügt hat.[6]

Insbesondere bei dem hier betroffenen Zeithonorar löst auch der IX. Senat nicht überzeugend das Problem, wie man einem extrem hohen absoluten Endbetrag (der sich aber möglicherweise aus einem ganz erheblichen Zeitaufwand von selbst ergeben hat) begegnen will, ohne willkürlich durch Richterakt aus dem eigentlichen zeitabhängigen Honorar ein Pauschalhonorar zu machen.[7]

Wenig erfreulich bleibt es schließlich, dass die vom BGH vor Jahren em...

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