RVG § 31a; RVG VV Nr. 1008

Leitsatz

Wehrt sich die bedürftige Partei dagegen, dass das Gericht im Ausgangsverfahren zwar einen Anwalt beigeordnet, die Bewilligung jedoch dahingehend beschränkt hat, dass dieser aus der Landeskasse nur die 0,3 Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV erhalte, bemisst sich der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht nach dem Wert der Hauptsache, sondern nach dem Betrag der Vergütung, die die Landeskasse übernehmen soll.

BGH, Beschl. v. 30.1.2020 – II ZB 13/18

1 Sachverhalt

Das LG hat der Beklagten Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im ersten Rechtszug unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt. Es hat die Bewilligung jedoch mit Rücksicht darauf, dass ihr nicht bedürftiger Streitgenosse von demselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird, hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Gebühr nach Nr. 1008 VV (sog. Mehrvertretungsgebühr) beschränkt. Die Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht, die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde hat der Senat zurückgewiesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, den Wert seiner anwaltlichen Tätigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren festzusetzen.

2 Aus den Gründen

Die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 33 Abs. 1 RVG.

Nach dieser Vorschrift setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. So liegt es hier. Die Festsetzung des Werts für die zu erhebenden Gebühren im Rechtsbeschwerdeverfahren ist unterblieben, weil sie sich nicht nach dem Wert richten (Nr. 1826 GKG-KostVerz.; vgl. BeckOK-KostR/Dörndorfer, 28. Edition, GKG-KostVerz. 1826 Rn 2 m.w.N.).

Das mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Interesse beläuft sich bei einem erstinstanzlichen Streitwert von 33.390,00 EUR gem. Nrn. 3100, 3104, 7002 VV zzgl. Umsatzsteuer auf bis 3.000,00 EUR (§ 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 Hs. 1, § 23a Abs. 1 RVG). Das Interesse an der Bewilligung von Prozesskostenhilfe entspricht hier nicht – wie sonst regelmäßig (BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 Rn 7 [= AGS 2010, 549]; Beschl. v. 28.4.2011 – IX ZB 145/09, juris Rn 1 [= AGS 2011, 305]) – dem Wert der Hauptsache. Denn die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen und damit die Prozessführung wird bereits durch die Zubilligung der Erhöhungsbeträge gewährleistet, sofern der Prozessbevollmächtigte – wie hier – seine Vergütung gem. § 7 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 RVG von einem finanziell leistungsfähigen Streitgenossen beanspruchen kann (BGH, Beschl. v. 5.2.2019 – II ZB 13/18, juris Rn 12 ff.). Der Grund für die Gleichsetzung von Bewilligungs- und Hauptsacheinteresse auch im Beschwerdeverfahren liegt demgegenüber darin, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus Sicht des Antragsstellers notwendig ist, um den Prozess überhaupt führen zu können (BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 Rn 7 [= AGS 2010, 549]).

Über den Antrag entscheidet gem. § 33 Abs. 8 S. 1 Hs, 1 RVG der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.

3 Anmerkung

Die Entscheidung des BGH ist dem Grunde nach zutreffend. Hier ging es nicht darum, dass der Beschwerdeführer ohne Prozesskostenhilfe seine Rechte nicht hätte wahrnehmen können. Hier ging es nur um die Frage, welchen Anteil der Vergütung die Landeskasse werde übernehmen müssen. Daher war zutreffenderweise auf diese Gebührendifferenz abzustellen. Allerdings hat der BGH diese Gebührendifferenz fehlerhaft berechnet. Zutreffend ist insoweit, dass von den erstinstanzlichen Gebühren auszugehen ist, die die Landeskasse bei uneingeschränkter Bewilligung der Prozesskostenhilfe hätte zahlen müssen, nämlich eine Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Darauf hätte die Landeskasse nach § 7 Abs. 2 RVG bei unbeschränkter Bewilligung und Beiordnung gehaftet. Der BGH hat allerdings übersehen, dass im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht die Gebührenbeträge der Tabelle des § 13 RVG anzuwenden sind, sondern ab einem Gegenstandswert von über 4.000,00 EUR, der hier überschritten war, die geringeren Gebührenbeträge der Tabelle des § 49 RVG. Danach hätte sich folgende Vergütung ergeben:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV 581,10 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, § 49 RVG, Nr. 3104 VV 536,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  Zwischensumme 1.137,50 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 216,13 EUR
  Gesamt 1.353,63 EUR

Aber auch dieser Wert wäre nicht festzusetzen gewesen. Der BGH hat nämlich nicht berücksichtigt, dass Prozesskostenhilfe ja bereits im Umfang der 0,3 Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet war. Er hätte also einen unstreitig bereits "bewilligten" Betrag i.H.v. 159,58 EUR einschließlich Umsatzsteuer wi...

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