Die nicht bestellten oder nicht im Wege der PKH zugezogenen Rechtsanwälte der Nebenkläger haben mangels Bestellung oder Beiordnung keinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aus § 45 Abs. 3 RVG, auch wenn sie im Vertrauen auf eine spätere Bestellung oder Beiordnung bereits tätig geworden sind. Um den Nebenkläger, dessen Rechtsanwalt nicht bestellt oder im Wege der PKH zugezogen worden ist, durch die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung kostenrechtlich nicht schlechter zu stellen, soll das Gericht deshalb nach § 397b Abs. 3 StPO feststellen, ob bei dem nicht bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Bestellung oder Beiordnung vorgelegen hätten.[10]

Ergeht die Feststellung gem. § 397b Abs. 3 StPO, stellt § 53a S. 1 RVG den aufgrund der Bündelung mehrerer Nebenklagevertretungen nicht als Beistand bestellten oder im Wege der PKH zugezogenen Rechtsanwalt vergütungsrechtlich einem bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt gleich. Dadurch erwirbt der nicht als Beistand bestellte oder im Wege der PKH zugezogene Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, der dem Vergütungsanspruch entspricht, den er gem. § 45 Abs. 3 RVG im Fall seiner Bestellung oder Zuziehung im Wege der PKH gehabt hätte.

§ 53a S. 1 RVG ordnet für den Fall einer Feststellung gem. § 397b Abs. 3 StPO an, dass der Rechtsanwalt hinsichtlich der von ihm bis zu dem Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts erbrachten Tätigkeiten einem bestellten oder im Wege der PKH zugezogenen Rechtsanwalt gleichsteht. In zeitlicher Hinsicht erfasst der Anspruch gegen die Staatskasse also nur solche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt vor dem Zeitpunkt erbracht hat, zu dem für den von ihm vertretenen Nebenkläger ein anderer Rechtsanwalt als Beistand bestellt oder im Wege der PKH zugezogen wurde. Ab diesem Zeitpunkt hat der Rechtsanwalt kein schützenswertes Vertrauen mehr darauf, dass er für die von ihm erbrachten Tätigkeiten aus der Staatskasse vergütet wird.[11] Das bedeutet:

Die Feststellung nach § 397b Abs. 3 StPO wirkt wegen § 48 Abs. 6 S. 1 RVG zurück auch auf die Tätigkeiten, die vor der Feststellung erbracht worden sind.
Ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse besteht aber nur bis zum Zeitpunkt der Bestellung/Beiordnung eines gemeinschaftlichen Beistands für die Nebenkläger.
 

Beispiel 1

R ist für die drei Nebenkläger seit dem 1.2.2019 als anwaltlicher Vertreter tätig. Am 3.8.2019 bestellt das Gericht S als gemeinschaftlichen Beistand der drei Nebenkläger. Die Feststellungsentscheidung gem. § 397b Abs. 3 StPO ergeht am 3.9.2019. Die Anklageschrift ist am 15.6.2019 bei Gericht eingegangen. Termin zur Hauptverhandlung ist auf den 15.9.2019 bestimmt worden. Den Termin nehmen sowohl S als auch R wahr.

R kann aus der Staatskasse nur die Vergütungsansprüche geltend machen, die ihm bis zum 3.8.2019 entstanden sind. Bei den Gebührenansprüchen ist deshalb zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt die jeweilige Gebühr angefallen ist.

R hat deshalb Anspruch auf

• die Grundgebühr Nr. 4100 VV,

• die Verfahrensgebühr Nr. 4104/1008 VV sowie

• die Verfahrensgebühr Nrn. 4106/1008, 4110/1008 VV.

Alle Gebühren sind zwar durch Tätigkeiten vor der Feststellungsentscheidung gem. § 397b Abs. 3 StPO vom 3.9.2019 angefallen, aber wegen § 48 Abs. 6 S. 1 RVG zu erstatten, weil sie bis zur Bestellung/Beiordnung des gemeinschaftlichen Beistands am 3.8.2019 entstanden sind. Eine Terminsgebühr kann R aus der Staatskasse nicht erstattet werden, weil diese nach dem Zeitpunkt der Bestellung/Beiordnung von S entstanden ist.

[10] BT-Drucks 19/14747, 40.
[11] BT-Drucks 19/14747, 51.

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