SGG § 113; RVG VV Nrn. 1000, 1006

Leitsatz

  1. Bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtstreiten derselben Beteiligten entsteht die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1006 VV in jedem Verfahren, und nicht nur einmalig.
  2. Ohne Verbindung nach § 113 SGG bezieht sich der Beitrag des Anwalts an der Herbeiführung der Einigung oder Erledigung auf jedes einzelne durch Vergleich beendete Verfahren.

Thüringer LSG, Beschl. v. 22.1.2019 – L 1 SF 1301/17 B

1 Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim SG anhängig gewesenes Verfahren, in dem der Beschwerdegegner die Kläger vertrat. Im Hauptsacheverfahren S 23 AS 4148/11 begehrten die Kläger unter Abänderung eines Bescheides der Beklagten für den Zeitraum 1.9.2010 bis 28.2.2011 höhere Leistungen nach dem SGB II. Zugleich begehrten sie in dem Verfahren S 23 AS 4147/11 höhere Leistungen für die Zeit v. 1.9.2009 bis 31.12.2009 und im Verfahren S 28 AS 4145/11 höhere Leistungen für den Zeitraum 1.3.2011 bis 30.7.2011.

Das SG gewährte den Klägern in allen drei Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

In den Verfahren fand am 3.4.2014 jeweils ein gemeinsamer Erörterungstermin statt. Die Verfahren wurden getrennt geladen. Ausweislich der Niederschrift fand eine gemeinsame Erörterung und Zeugeneinvernahme in der Zeit von 13:05 Uhr bis 13:59 Uhr statt. Sodann schlossen die Beteiligten auf Anraten des SG einen Vergleich. In diesem verpflichtete sich die Beklagte, an die Klägerin einen Betrag von 2.466,60 EUR – ohne einen nochmaligen Bescheid zu erteilen – zu zahlen und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte zu tragen.

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer jeweils in allen drei Verfahren die Festsetzung folgender Gebühren:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV 300,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV 190,00 EUR
Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Fahrtkosten anteilig, Nr. 7003 VV 12,50 EUR
Zwischensumme 732,70 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 139,21 EUR
Gesamtbetrag 871,91 EUR

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die zu zahlende Vergütung aus der Staatskasse jeweils wie folgt fest:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV 200,00 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 12,50 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 84,11 EUR
Gesamtbetrag 526,81 EUR

Hinsichtlich der Terminsgebühr wurde die Mittelgebühr als angemessen erachtet. Eine Einigungsgebühr könne nicht in Ansatz gebracht werden. Im Erörterungstermin am 3.4.2014 sei in drei Parallelverfahren ein Vergleich geschlossen worden. In dem Verfahren S 23 AS 4145/11 sei die Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr aus der Staatskasse erstattet worden. Eine einheitliche Einigung bezüglich mehrerer Gegenstände führe nur zum Entstehen einer Einigungsgebühr.

Gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt. Die Einigungsgebühr sei anzusetzen. Die Staatskasse ist der Erinnerung entgegengetreten und hat auf die Ausführungen in dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss verwiesen.

Das SG hat den Vergütungsfestsetzungsbeschluss abgeändert und die in dem Verfahren S 23 AS 4148/11 aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 752,91 EUR festgesetzt. Die Festsetzung der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr sei nicht zu beanstanden. Die Einigungsgebühr nach Nrn. 1005, 1006 VV sei entgegen den Ausführungen im Vergütungsfestsetzungsbeschluss entstanden. Die erfolgte Protokollierung eines einheitlichen Vergleiches für alle drei geladenen Verfahren stehe dem nicht entgegen. Kostenrechtlich mache es keinen Unterschied, ob der Vergleich einheitlich oder separat für jedes geladene Verfahren protokolliert werde. Den Vorschriften über Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG sei ein solcher Mehrvergleich fremd, da Streitwerte hier ohne Belang seien. Auch sehe das Vergütungsverzeichnis eine besondere Berücksichtigung von Mehrvergleichen nicht vor. Die Erledigung von weiteren, über den Prozessstoff hinaus reichenden Streitgegenständen, sei für die Entstehung einer Einigungsgebühr ohne Bedeutung. Die Einigungsgebühr sei ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Das SG hat die Gebühren wie folgt berechnet:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV 200,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV 190,00 EUR
Post-/Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Fahrtkosten, Tage-/Abwesenheitsgeld, Nr. 7003, 7005 VV 40,20 EUR
Fahrtkosten, Tage-/Abwesenheitsgeld, Nr. 7003, 7005 VV 12,50 EUR
Zwischensumme 623,70 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 120,21 EUR
Gesamtbetrag 752,91 EUR

Hiergegen hat die Staatskasse Beschwerde erhoben. Beanstandet werde die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV. Entgegen der Auffassung des SG seien nicht drei Einigungsgebühren, sonder...

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