Das OLG Braunschweig weist zunächst darauf hin, dass im Rahmen der Erstattung notwendiger Auslagen grds. nur die Kosten für einen Wahlverteidiger erstattet werden. Zwar können gem. § 137 StPO bis zu drei Verteidiger gewählt werden. Aus § 137 StPO folgt aber nicht, dass dem Beschuldigten die durch die Vertretung von drei Verteidigern entstandenen Kosten insgesamt zu erstatten wären. Die Bestimmung des § 137 StPO konkretisiert das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren nicht in der Weise, dass dem Beschuldigten die Kosten, die durch die Vertretung von drei Verteidigern entstehen, insgesamt zu erstatten wären; das gilt grds. auch in schwierigen oder umfangreichen Verfahren, insbesondere auch in Schwurgerichtssachen.[1]

Die Erstattungsfähigkeit der notwendigen Auslagen nur für einen Verteidiger folgt aus § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach die Kosten mehrerer Verteidiger außer bei einem notwendigen Verteidigerwechsel nur insoweit erstattet werden, als sie die Kosten eines Verteidigers nicht überschreiten oder in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste; das gilt auch im Fall des Zusammentreffens von Wahlverteidigung und Pflichtverteidigung.[2]

Zwar liegt in dem vom OLG Braunschweig entschiedenen Sachverhalt keiner der in § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO geregelten Ausnahmefälle vor. Allerdings sind nach Auffassung des OLG Braunschweig einem Freigesprochenen über den Wortlaut hinaus in teleologischer Reduktion der Regelung dann die notwendigen Auslagen für zwei Wahlverteidiger zu erstatten, wenn seine Verteidigung ausnahmsweise im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Komplexität des Strafverfahrens durch nur einen Wahlverteidiger schlechterdings nicht zu bewältigen war und die Verteidigung deshalb das arbeitsteilige Zusammenwirken von zwei Wahlverteidigern erforderte.

Das begründet das OLG Braunschweig damit, dass auch im Falle der Bestellung eines Pflichtverteidigers als sogenannter Sicherungsverteidiger neben einem Wahlverteidiger im Falle des Freispruchs die notwendigen Auslagen für beide Verteidiger aus der Staatskasse zu erstatten sind. Bei einem Freispruch sind die gesamten Kosten des Wahlverteidigers neben den Gebühren des Pflichtverteidigers dann erstattungsfähig, wenn das Gericht die Bestellung des Pflichtverteidigers nicht oder nicht rechtzeitig zurückgenommen oder aus Fürsorgegründen oder zur Sicherung des Verfahrens die zusätzliche Beiordnung eines Pflichtverteidigers oder die Beibehaltung seiner Beiordnung für notwendig gehalten hat.[3] Hat der Vorsitzende aus eigener Veranlassung neben dem Wahlverteidiger einen (weiteren) Pflichtverteidiger bestellt, so hat der Beschuldigte im Fall eines Freispruchs über § 52 RVG auch Anspruch auf Erstattung der Wahlverteidigerkosten auch des Pflichtverteidigers.[4] Dieser Auffassung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Freigesprochene nicht benachteiligt werden soll, wenn ihm die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger nicht zuzurechnen ist und er wegen § 52 Abs. 1 RVG zusätzlich auch dem Wahlverteidigergebührenanspruch des Pflichtverteidigers ausgesetzt ist.

Vor diesem Hintergrund hat das OLG Braunschweig einem Freigesprochenen, der zwei Wahlverteidiger von sich aus beauftragt hat, einen Erstattungsanspruch für beide Wahlverteidiger zugesprochen, wenn seine Verteidigung im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Komplexität nur durch einen Wahlverteidiger nicht möglich war.

Ob die Gleichbehandlung dieser Fälle durch eine teleologische Reduktion von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gerechtfertigt und zwingend ist, kann bezweifelt werden.

Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich

AGS 4/2020, S. 204 - 208

[1] Vgl. BVerfG NJW 2004, 3319; OLG Celle StraFo 2018, 525 = RVGreport 2019, 109; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, 317.
[2] Vgl. z.B. BVerfG NStZ 1984, 561 = StV 1984, 344 = JurBüro 1985, 697; NJW 2004, 3319; OLG Brandenburg NStZ-RR 2013, 95; OLG Celle StraFo 2018, 525 = RVGreport 2019, 109.
[3] Vgl. OLG Celle RVGreport 2019, 109; KG AGS 2003, 418; OLG Hamm RVGreport 2015, 29; OLG Köln NJW 2003, 2038; OLG Rostock RVGreport 2017, 63.
[4] Vgl. OLG Hamm RVGreport 2015, 29; OLG Köln AGS 1998, 149.

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