Die Entscheidung des Amtsgerichts ist im Ansatz zutreffend.

Zutreffend ist insbesondere, dass eine Geschäftsgebühr entstanden ist.

Zutreffend ist aber auch, dass hier zunächst einmal kein Kostenerstattungsanspruch bestand, da der Kläger über seine Fluggastrechte aufgeklärt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH[1] kommt ein Schadensersatz ohne Verzug nur dann in Betracht, wenn der Flugreiseveranstalter den Reisenden nicht über seine Rechte aufgeklärt hat. Darin sieht der BGH eine zum Schadensersatz – auch zum Ersatz der Anwaltskosten – verpflichtende Vertragsverletzung.

Soweit das AG Köln hier allerdings nach dem "Alles-oder-nichts-Prinzip" urteilt, ist dies nicht (mehr) zutreffend. In einem obiter dictum hat der BGH[2] klargestellt, dass diese Betrachtung nicht zulässig ist.

Diese Ausführungen des BGH sind von der Praxis bislang leider noch nicht zur Kenntnis genommen worden, was daran liegt, dass es in dem vom BGH entschiedenen Fall darauf nicht ankam.

In dem entschiedenen Fall hatten die Vorinstanzen einen Schadensersatzanspruch aus Verzug abgelehnt, weil – wie hier – der Anwalt zum Zeitpunkt des Verzugseintritts bereits beauftragt war. Argumentiert wird in diesen Fällen meistens, dass die Kosten des Anwalts ja bereits angefallen seien und daher nicht mehr als verzugsbedingter Schaden angesehen werden können.

In der vorgenannten Entscheidung führt der BGH jedoch aus, dass diese Betrachtung zu kurz greife. Die anwaltliche Geschäftsgebühr werde nämlich durch jede Tätigkeit erneut ausgelöst, sodass eine spätere Notwendigkeit durchaus zum Ersatz der Anwaltskosten führen könne, wenn auch nur teilweise. Die Höhe der Anwaltskosten sei dann nach § 287 ZPO frei zu schätzen.

Diese Argumentation des BGH lässt sich auf alle Fälle übertragen, in denen die Anwaltskosten von einem Dritten zu ersetzen sind. Man muss dann fragen, welcher Teil der Anwaltskosten auf den "verzugsfreien" Zeitraum entfällt und welcher Teil auf den "Verzugszeitraum".

 

Beispiel

Der Mandant beauftragt den Anwalt, eine Forderung anzumahnen. Erst durch diese Mahnung tritt Verzug ein. Unterstellt werden soll, dass eine 1,3-Geschäftsgebühr bis hierhin angemessen ist. Nach Verzugseintritt wird weiter korrespondiert: Es werden zahlreiche Schriftsätze gewechselt; es werden Gespräche geführt. Schließlich erkennt der Gegner die Forderung an und zahlt. Aufgrund der Gesamttätigkeit soll jetzt von einer angemessenen 1,8-Geschäftsgebühr ausgegangen werden.

Die eine Möglichkeit besteht jetzt darin, die Differenz zwischen der 1,3-Gebühr, die vor Verzug bereits entstanden war, und der 1,8-Gebühr, die nach Abschluss des Verfahrens geschuldet war, als verzugsbedingt anzusehen, also 0,5 (Differenzberechnung).

Eine andere Möglichkeit läge darin, den Gesamtaufwand der anwaltlichen Tätigkeit zu betrachten und zeit- und aufwandsanteilig die Geschäftsgebühr als verzugsbedingt und nicht verzugsbedingt einzustufen (Quotenberechnung).

Rechtsanwalt Norbert Schneider

AGS 4/2020, S. 170 - 172

[1] AGS 2006, 256 = VersR 2006, 521 = NJW 2006, 1065 = AnwBl 2006, 357 = NZV 2006, 244 = DAR 2006, 386 = RuS 2006, 305 = zfs 2006, 448 = MDR 2006, 929 = NJW-Spezial 2006, 160 = RVGreport 2006, 236.
[2] AGS 2017, 541 = VersR 2017, 1155 = RuS 2017, 494 = MDR 2017, 1119 = DAR 2017, 671 = NJW 2017, 3527 = AnwBl 2018, 44 = RVGprof. 2018, 1 = RVGreport 2018, 101.

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