ZPO § 91 Abs. 2 S. 1; RVG VV Nrn. 7003 ff.

Leitsatz

Lässt sich ein am Gerichtsort ansässiger Anwalt in eigener Sache durch einen anderen auswärtigen Anwalt vertreten, so sind die dafür anfallenden Reisekosten nach allgemeinen Grundsätzen zu erstatten. Ein Anwalt ist nicht verpflichtet, sich aus Gründen der Kostenerstattung selbst zu vertreten.

AG Bonn, Beschl. v. 5.3.2019 – 112 C 15/19

1 Sachverhalt

Die am Gerichtsort ansässige Kanzlei war auf Honorarrückzahlung und Schadenersatz verklagt worden. Sie hatte hierzu einen anderen Anwalt beauftragt, der seine Kanzlei außerhalb des Amtsgerichtsbezirks, aber noch im Landgerichtsbezirk hatte. Nach Abschluss des Verfahrens meldete die Kanzlei die ihr entstandenen Anwaltskosten zur Festsetzung an, darunter auch die Reisekosten, und zwar für die erste Instanz in Höhe der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Amtsgerichtsbezirks und in zweiter Instanz in voller Höhe. Die Rechtspflegerin hat diese Reisekosten abgesetzt mit der Begründung, die verklagte Kanzlei habe ihren Sitz am Ort des Gerichts. Sie hätte sich in beiden Instanzen selbst vertreten können, sodass dann keine Reisekosten angefallen wären. Die Rspr. des BGH zur Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts sei daher hier nicht einschlägig. Auf die Erinnerung hat das AG die Entscheidung der Rechtspflegerin abgeändert und antragsgemäß festgesetzt.

2 Aus den Gründen

Die Erinnerung ist gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG statthaft und zulässig.

Auch in der Sache hat sie Erfolg.

In dem angefochtenen Beschluss wurden die Reisekosten des Beklagtenvertreters mit der Begründung abgesetzt, dass es sich bei der Beklagten um eine am Gerichtsort ansässige Rechtsanwaltskanzlei handelt, welche sich im Prozess auch selbst vertreten könne, wobei in diesem Fall keinerlei Reisekosten angefallen wären. Für das Erfordernis der Beauftragung einer anderen, auswärtigen Rechtsanwaltskanzlei bestünden keine Anhaltspunkte. In der Nichtabhilfeentscheidung wird maßgeblich darauf abgestellt, dass nicht glaubhaft gemacht sei, dass die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei, was nur ausnahmsweise der Fall sei, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Anwalt nicht beauftragt werden könne.

Auch wenn die Beklagte sich als Rechtsanwaltskanzlei vom Grundsatz her selbst verteidigen kann, kann das Gericht keine entsprechende Verpflichtung erkennen. Wie jeder anderen Partei auch stand es der Beklagten frei, sich durch einen gewählten Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen. Insbesondere wenn die Beklagte meint, es sei sinnvoller, sich in einem gegen sie selbst gerichteten Rechtsstreit auf Rückzahlung geleisteten Anwaltshonorars und Schadensersatz durch einen Dritten vertreten zu lassen, ist dies nachvollziehbar. Hier macht die Beklagte auch entsprechend der Rspr. des BGH (v. 4.12.2018 – VIII ZB 37/18 [= AGS 2019, 42]) – da kein Fall der notwendigen Beauftragung eines externen Rechtsanwalts nach § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO besteht – nur diejenigen fiktiven Reisekosten geltend, die angefallen wären, wenn sie einen am entferntesten Ort des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Nach der Rspr. des BGH kann eine Partei Reisekosten eines im Gerichtsbezirk – nicht notwendig am Gerichtsort – niedergelassenen oder wohnhaften Rechtsanwalts ausnahmslos erstattet verlangen (Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17 [= AGS 2018, 319]).

3 Anmerkung

Nach inzwischen einhelliger Rspr. sind Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts immer ohne Notwendigkeitsprüfung zu erstatten. Daher waren hier die Kosten der II. Instanz uneingeschränkt festzusetzen.

Die Kosten eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind aber zumindest zu erstatten bis zur Höhe der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks. Daher war hier in der ersten Instanz auf die höchstmögliche Entfernung des Gerichtsbezirks abzustellen.

Dass ein Anwalt sich in eigener Sache nicht selbst vertreten muss, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein. Dabei darf nicht unterschieden werden, ob es sich um eine spezielle Rechtsmaterie handelt oder um einen einfach gelagerten Fall. Daran ändert auch die Vorschrift des § 92 Abs. 2 S. 3 ZPO nichts, wonach ein Anwalt in eigener Sache eine Kostenerstattung in gleichem Umfang erhält wie bei Beauftragung eines anderen Anwalts.

Im Gegenteil kann Anwälten nur geraten werden, sich grds. nicht selbst zu vertreten. Aufgrund der eigenen Beteiligung fehlt häufig der objektive Blick für die Sach- und Rechtslage und die Einschätzung der Erfolgsaussicht. Nach dem Vier-Augen-Prinzip ist es grds. zu empfehlen, sich gesondert vertreten zu lassen.

Entscheidet sich der Anwalt, sich anderweitig vertreten zu lassen, dann müssen für die Kostenerstattung dieselben Grundsätze gelten, wie für eine gewöhnliche Partei. Auch er ist nicht verpflichtet, einen ortsansässigen Anwalt zu beauftragen, sondern darf sich auch eines auswärtigen Anwalts bedienen und kann dessen Kosten im Rahmen der hierzu ergangenen Rspr. erstattet verlangen.

Norbert Schneider

AGS 4/2...

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