RVG VV Nrn. 1000, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu 3104

Leitsatz

  1. Bei Abgabe einer Unterlassungserklärung im Prozess, die dem geltend gemachten Anspruch voll entspricht, liegt keine Einigung i.S.v. Nr. 1000 VV vor; das gilt auch dann, wenn mit der Erklärung ein Unterlassungsvertrag zustande kommt.
  2. Eine Einigung der Parteien, die einem Anerkenntnis gleichkommt, ersetzt nicht den Erlass eines Anerkenntnisurteils, wenn es darum geht, ob eine Terminsgebühr gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entstanden ist.

OLG München, Beschl. v. 29.1.2019 – 11 W 54/19

1 Sachverhalt

Der Kläger machte mit seiner Klage Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte geltend. In der Klageerwiderung gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab. Daraufhin erklärte der Kläger die Annahme der Unterlassungserklärung und den Klageanspruch für erledigt. Die Beklagte schloss sich der Erledigterklärung an. Daraufhin erging ein Beschluss des LG nach § 91a ZPO, in dem der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden und der Streitwert auf 6.000,00 EUR festgesetzt wurde.

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag machte der Kläger u.a. eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV i.H.v. 424,80 EUR und eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV i.H.v. 354,00 EUR geltend. Die Beklagte wandte sich gegen die Festsetzung einer Termins- und Einigungsgebühr.

Daraufhin erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 975,20 EUR nebst Zinsen festgesetzt wurden. Die Rechtspflegerin lehnte die Festsetzung der beantragten Einigungs- sowie Terminsgebühr ab mit der Begründung, ein Vergleich sei nicht geschlossen worden, auch die übereinstimmende Erledigterklärung stelle keinen Fall der Einigung dar.

Dagegen legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führt er aus, mit der Abgabe der Unterlassungserklärung und deren Annahme sei ein Vergleich geschlossen worden, weil mit diesen Erklärungen der Streit vertraglich beigelegt worden sei. Weil hier über das Anerkennen des Unterlassungsanspruchs hinaus eine Vertragsstrafe versprochen werde, liege auch kein reines Anerkenntnis vor.

Die Rechtspflegerin half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem OLG zur Entscheidung vor.

2 Aus den Gründen

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte, sofortige Beschwerde (§ 104 Abs. 3 S. 1, §§ 567, 569 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung einer 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV und einer 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV zu Recht abgelehnt.

1. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Einigungsgebühr liegen nicht vor.

a) Nach Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV entsteht die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Die Einigungsgebühr setzt keinen protokollierten Vergleich voraus, sondern nur eine Einigung über materielle Ansprüche (BGH NJW 2007, 2187 [= AGS 2007, 366]; Senat, Beschl., v. 20.6.2007 – 11 W 1724/07; Beschl. v. 29.7.2009 – 11 W 1864/09; OLG Nürnberg MDR 2011, 455). Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (s. BGH NJW 2007, 2187 [= AGS 2007, 366]; FamRZ 2009, 43 jew. m.w.N.; OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 25 m.w.N. [= AGS 2009, 20]). Eine materiell-rechtliche Regelung, mit der der Streit oder die Ungewissheit beseitigt wird, führt zu einer Einigungsgebühr, beispielsweise, wenn sich die Parteien über den eingeklagten Kaufpreis einigen (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Nr. 1000 VV Rn 126).

b) Eine einseitige prozessuale Gestaltungserklärung wie eine Klagerücknahme oder Erledigterklärung und die ggfs. erforderliche Zustimmung des Prozessgegners hierzu beinhalten als solche keine Vereinbarung in diesem Sinne und führen damit grds. nicht zur Entstehung einer Einigungsgebühr für die beteiligten Prozessbevollmächtigten. Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien über die Klagerücknahme und die Zustimmung der beklagten Partei oder einen Verzicht der Beklagten auf einen Kostenantrag eine Vereinbarung treffen, also einen Vertrag schließen (Senat JurBüro 1992, 322; OLG Koblenz JurBüro 2006, 638 [= AGS 2006, 539]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rn 41, 42). Der Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis i.S.d. Nr. 1000 VV beseitigt wird, kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn inhaltlich etwas anderes als ein bloßes Anerkenntnis oder ein bloßer Verzicht durch eine der Parteien vereinbart wird (Senat, Beschl. v. 12.1.2015 – 11 W 2496/14). Liegt hinsichtlich des streitgegenständlichen Anspruchs materiell-rechtlich lediglich ein bloßes Anerkenntnis oder ein bloßer Verzicht vor, erfolgt dies aber in Form eines Vergleichs, entsteht keine Einigungsgebühr, es bleibt inhaltlich ein bloßes Anerkenntnis (Thüringer LSG AGS 2012, 72; Hartmann, Kost...

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