RVG VV Nr. 7000

Leitsatz

Es ist auch in Beratungshilfesachen nicht Sache des Gerichts, nachträglich die Arbeitsweise des Rechtsanwalts zu bewerten und zu kritisieren, indem ihm die Fertigung von Ablichtungen untersagt oder unzumutbar erschwert wird.

AG Halle, Beschl. v. 8.2.2010–103 II 3103/09

Aus den Gründen

Die Erinnerung ist gem. § 11 Abs. 2 RPfIG i.V.m. § 56 RVG zulässig. Die Erinnerung ist auch begründet. Nachdem der Rechtspfleger selbst der Erinnerung bezüglich der Aktenversendungspauschale abgeholfen hat, sind durch den Richter nur noch die Kopierkosten (so genannte Dokumentenpauschale) festzusetzen. Daher sind die Kosten insgesamt entsprechend dem zutreffenden Antrag festzusetzen.

Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten folgt aus § 1 RVG i.V.m. Nr. 7000 VV. Gem. Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV sind die Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu ersetzen, soweit die Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung geboten war. Dass ein Rechtsanwalt, der einen Mandanten berät, der angibt, Opfer einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung geworden sein, Ablichtungen aus der Ermittlungsakte benötigt, um die Angelegenheit sachgerecht zu bearbeiten, versteht sich von selbst. Es kann nicht Sache des Gerichts sein, nachträglich die Arbeitsweise des Rechtsanwalts zu bewerten und zu kritisieren, indem ihm die Fertigung von Ablichtungen untersagt oder unzumutbar erschwert wird. Hierdurch würde die Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten im außergerichtlichen Bereich (siehe hierzu die Beschl. d. BVerfG v. 14.10.2008–1 BvR 2310/06, u. v. 11.5.2009–1 BvR 1517/09) entgegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gewährleistet. Außerdem ist es unter Umständen nicht möglich, den Mandanten kurzfristig zu einem Termin zu "laden" (wobei ein hoheitliches Verhältnis, in welchem eine Ladung ergehen kann, zwischen Rechtsanwalt und Mandant ohnehin nicht besteht) oder einen solchen Termin kurzfristig durchzuführen. Weiter braucht der Rechtsanwalt die (jedenfalls auszugsweise kopierte) Akte möglicherweise für weitere Besprechungstermine, für die Fertigung von Schriftsätzen im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung sowie um seine Pflicht, gem. § 50 Abs. 1 BRAO durch Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben zu können, erfüllen zu können.

Angesichts der Tatsache, dass der Rechtsanwalt gem. § 1 BRAO ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, kann es nicht Sache des Gerichts sein, dem Rechtsanwalt eine "geringfügige Änderung der anwaltlichen Praxis" vorzuschreiben.

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