§ 9 RVG; §§ 667, 675 BGB; § 86 VVG; § 159 HGB

Leitsatz

  1. Bereits mit Vorschusszahlung geht ein möglicher Erstattungsanspruch aufschiebend bedingt auf den Rechtsschutzversicherer über.
  2. Der Mandatsauftrag endet mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch.
  3. Der uneingeschränkte Übergang eines bedingten Rechts steht insbesondere § 91 InsO auch dann nicht entgegen, wenn die Bedingung erst nach oder mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt. Die Insolvenz des Versicherungsnehmers hindert damit den Anspruchsübergang auf den Rechtsschutzversicherer nicht.

BGH, Beschl. v. 16.12.2021 – IX ZR 81/21

I. Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Verfahren begehrte die Klägerin vom beklagten Rechtsanwalt die Rückzahlung nicht verbrauchter Gebührenvorschüsse für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins. Die Beklagten waren Gesellschafter einer Rechtsanwalts-GbR, die vom Versicherungsnehmer der Klägerin mandatiert worden waren. Der Beklagte teilte 2016 mit, dass aufgrund der Insolvenz des Mandanten der Gerichtstermin nicht mehr wahrgenommen wurde und die Rechtsanwalts-GbR i.Ü. aufgelöst sei.

Im streitigen Verfahren erhob der Beklagte die Einrede der Verjährung und beruft sich u.a. auf die Sonderverjährungsvorschriften des § 159 HGB. Sowohl das AG als auch das LG gaben der Klage statt.

II. Anwalt muss Vorschüsse an den Rechtsschutzversicherer zurückzahlen

Die Revision ist unbeschränkt zugelassen hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Gericht bestätigt den Rückzahlungsanspruch der nicht verbrauchten Gebührenvorschüsse. Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich aus dem Anwaltsvertrag, die §§ 675, 667 BGB sind mindestens entsprechend anzuwenden. Der Rechtsanwalt hat über erhaltene Vorschüsse abzurechnen; eine entsprechende vertragliche Pflicht folgt aus §§ 675, 666 BGB. Die Anwaltsgebühren sind bei Fälligkeit nach § 8 RVG abzurechnen. Der Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter Gebührenvorschüsse entsteht bereits aufschiebend bedingt mit der Leistung des Vorschusses.

Der Anwaltsvertrag hat spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin seine Erledigung gefunden. Nach §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO erlischt der Auftrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trat demnach die aufschiebende Bedingung für den Rückzahlungsanspruch ein.

Der Erstattungsanspruch ist aufgrund § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die klagende Rechtsschutzversicherung übergegangen. Dem Übergang stünde § 91 InsO auch dann nicht entgegen, wenn die aufschiebende Bedingung erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin eingetreten wäre.

Auch die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht. Der Anspruch richtet sich gegen die Rechtsanwalts-GbR, für deren Verbindlichkeiten der Beklagte als Gesellschafter haftet. Die Gesellschaftsschuld ist jedoch nicht verjährt. Eine Sonderverjährung existiert zwar in § 159 HGB bei aufgelösten Gesellschaften, diese greift hier jedoch nicht durch. Der Anspruch war noch nicht verjährt.

III. Bedeutung für die Praxis

In der Entscheidung wird wieder deutlich, dass es sich in der Regel um Ansprüche aus dem Mandatsverhältnis handelt, die nach § 86 VVG auf die Rechtschutzversicherung übergehen können.

In Praxis üblich, kann der Rechtsanwalt nach § 9 RVG einen angemessenen Vorschuss auf die voraussichtlich entstehenden Gebühren verlangen. Nach Abschluss der Angelegenheit, d.h. nach Fälligkeit i.S.d. § 8 RVG ist über diesen Vorschuss gegenüber dem Mandanten abzurechnen. Soweit der Vorschuss nicht vollständig verbraucht wird, ergibt sich aufgrund der vertraglichen Abrechnungspflicht aus §§ 675, 667 BGB ein Erstattungsanspruch des Mandanten (so auch in BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 143/18, AGS 2019, 170). Aufgrund der eingetretenen Insolvenz der Mandantschaft endet das Mandat automatisch gem. §§ 115 Abs. 1, 116 S. 1 InsO und die Anwaltsgebühren sind entsprechend fällig.

Der BGH hat mit dieser Entscheidung nun klargestellt, dass der Erstattungsanspruch bereits aufschiebend bedingt mit der Zahlung des Vorschusses entsteht. Dabei spielt es gerade keine Rolle, ob der Vorschuss letztlich vollständig verbraucht wird und kein Erstattungsanspruch entsteht. Es kommt allein auf die Möglichkeit an, dass sich eine Erstattung ergeben kann. Die Bedingung ist auch nur erfüllt, wenn die Fälligkeit der Anwaltsvergütung eintritt und sich aus der Abrechnung ein nicht verbrauchter Vorschuss errechnet.

Dass sich ein solcher Anspruch erst durch die Vorschusszahlung selbst ergibt, sollte einleuchten, wird aber in dieser Entscheidung des BGH ebenfalls klargestellt.

Der BGH hatte bereits entschieden, dass ein möglicher Erstattungsanspruch hinsichtlich der Prozesskosten schon mit Klageeinreichung aufschiebend bedingt entsteht (BGH, Beschl. v. 2.5.2019 – IX ZB 67/18) und nach § 86 VVG übergehen kann (BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 90/19, AGS 2020, 258). Die aktuelle Entscheidung ist daher nur eine konsequente Fortführung seiner bisherigen Auffassung.

Dass dieser Anspruch bei Zahlung durch die Rechtsschutzversicherung nach § 86 VVG auf diese übergeht, dürfte ebenso wen...

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