1. Gesetzliche Regelung

Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. In welcher Höhe diese Verfahrensgebühr in der jeweiligen Angelegenheit anfällt, bestimmt sich nach den Regelungen im VV RVG. Nach Nr. 3100 VV entsteht im Zivilprozess erster Instanz die Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 1,3. Endigt hingegen der Auftrag, bevor der Rechtsanwalt eine der in Nr. 3101 Nr. 1 VV aufgeführten Tätigkeiten entfaltet hat, entsteht die Verfahrensgebühr hingegen nur mit einem Gebührensatz von 0,8. Zu den in dieser Vorschrift aufgeführten Tätigkeiten gehört – soweit hier von Interesse – das Einreichen eines Schriftsatzes, der Sachanträge oder Sachvorträge enthält.

Der Gesetzgeber hat diese Regelung in Nr. 3101 Nr. 1 VV nach Auffassung des OLG Karlsruhe in den Fällen eingeführt, in denen die volle Verfahrensgebühr als zu hoch angesehen wird, weil die Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Erledigung des Auftrags entweder noch nicht nach außen in Erscheinung getreten ist oder aber der Rechtsanwalt noch nicht bestimmte, als besonders aufwendig angesehene Tätigkeiten mit Außenwirkung vorgenommen hat. Ferner hat das OLG Karlsruhe ausgeführt, die Nrn. 3100 und 3101 VV seien auch auf den am Verfahren mitwirkenden Patentanwalt anzuwenden.

2. Schriftsatz mit Sachantrag eingereicht

Die Voraussetzungen für den Anfall der vollen Verfahrensgebühr lagen nach den weiteren Ausführungen des OLG Karlsruhe beim Beklagten vor. Zwar habe der vom Beklagtenvertreter gestellte Antrag auf Fristverlängerung zur Klageerwiderung ebenso wie die Anzeige der Verteidigung gegen die Klage keinen Sachantrag i.S.d. Nr. 3101 Nr. 1 VV dargestellt, sodass für diese Tätigkeiten nur die 0,8-Verfahrensgebühr angefallen sei. Jedoch habe der Beklagtenvertreter noch vor der Rücknahme der Klage in seinem Schriftsatz vom 18.10.2019 beantragt, die Klage abzuweisen.

3. Antragsankündigung ist ein Sachantrag

Der Bewertung des Klageabweisungsantrags als einen die volle Verfahrensgebühr auslösenden Sachantrag steht nach den weiteren Ausführungen des OLG Karlsruhe nicht entgegen, dass dieser Antrag dahin formuliert ist, es werde angekündigt, in der mündlichen Verhandlung zu beantragen, die Klage abzuweisen. Diese Formulierung sei nämlich auf § 137 Abs. 1 ZPO zurückzuführen, wonach die mündliche Verhandlung dadurch eingeleitet werde, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Gem. § 297 Abs. 1 S. 1 ZPO seien diese Sachanträge aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Folgerichtig ergebe sich aus § 130 Nr. 2 ZPO, dass die vorbereitenden Schriftsätze die Anträge enthalten sollen, "welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt".

Aus diesen verfahrensrechtlichen Grundsätzen folgert das OLG Karlsruhe, dass ein die volle Verfahrensgebühr auslösender Sachantrag i.S.v. Nr. 3101 Nr. 1 VV auch dann vorliegt, wenn der Prozessbevollmächtigte eines Beklagten ankündigt, in der mündlichen Verhandlung zu beantragen, die Klage abzuweisen. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn ein Beklagter mit der Ankündigung des Klageabweisungsantrags zugleich erkläre, der Klageanspruch müsse erst noch auf seine Berechtigung hin überprüft werden. Ein solcher Fall habe hier aber nicht vorgelegen. Vielmehr liege in der Ankündigung, in der mündlichen Verhandlung den im vorbereitenden Schriftsatz – hier vom 18.10.2019 – angeführten Klageabweisungsantrag zu stellen, eine Äußerung zum Klageanspruch vor. Dies führt nach Auffassung des OLG Karlsruhe dazu, dass sowohl für den Prozessbevollmächtigten der Beklagten als auch für den am Verfahren mitwirkenden Patentanwalt jeweils eine 1,3-Verfahrensgebühr angefallen war. Das OLG hat deshalb noch sowohl für den Prozessbevollmächtigten als auch für den Patenanwalt die Differenz zwischen der von der Rechtspflegerin bereits berücksichtigten 0,8-Verfahrensgebühr und der 1,3-Verfahrensgebühr festgesetzt.

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