Damit stellt sich die Frage, ob ggfs. der Gläubiger/Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt. Der Gläubiger wird regelmäßig dann nicht gegen seine Schadensminderungspflicht bei außergerichtlicher Beauftragung des Inkassounternehmens verstoßen, wenn zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Auftragserteilung nicht mit einem Streitverfahren zu rechnen ist. Derartiges wird vor allem beim schweigenden Schuldner anzunehmen sein, der weder Mängel einwendet und auch nicht auf Mahnungen des Gläubigers reagiert. Gleiches gilt für Schuldner, die Zahlungen oder Regulierungen ankündigen, am Ende aber trotzdem nicht bezahlen. Aus der ex-ante-Sicht des Gläubigers muss dieser dann mit einer streitigen/gerichtlichen Auseinandersetzung nicht rechnen, sondern darf vielmehr davon ausgehen, dass die Beauftragung des Inkassounternehmens den Schuldner zur Zahlung anhält, schon deshalb weil sich die Ansprechpartner für diesen ändern, abgesehen davon, dass der Schuldner auch durch die – womöglich erstmalige – Geltendmachung von Verzugszinsen, Mahnkosten, aber auch Inkassokosten als Verzugsschaden erkennen sollte, dass es jetzt an der Zeit wäre, Zahlung zu leisten, um weitere Mehrkosten zu vermeiden. Es ist ebenfalls mittlerweile anerkannt, dass Inkassounternehmen einen wesentlichen Beitrag zum außergerichtlichen Forderungseinzug leisten und damit auch letztlich die Gerichte entlasten.

Selbst für den Fall, dass die außergerichtliche Tätigkeit des Inkassounternehmens nicht zum gewünschten Erfolg führt, so genügt der Gläubiger sicherlich weiterhin seiner Schadensminderungspflicht so lange er mit einer streitigen Auseinandersetzung nicht rechnen muss, da für die Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens die erstattungsfähigen Gebühren für das Inkassounternehmen bei pauschal 25,00 EUR gem. § 4 Abs. 5 RDGEG liegen, während der Anwalt nach Gegenstandswert die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV für den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides sowie eine weitere 0,5-Gebühr nach Nr. 3308 VV für den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids erhält. Insoweit ist die Einschaltung eines Inkassounternehmens in Hinblick auf die erstattungsfähigen Kosten aus Sicht des Schuldners im Falle der Titulierung im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens offenkundig günstiger als bei Einschaltung eines Anwalts durch den Gläubiger.

Der BGH hat mit der oben zitierten Entscheidung auch klargestellt, dass für eine Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nur deshalb, weil vorprozessual ein anderer Anwalt tätig war, kein Anlass besteht. Somit zählt auch die volle Verfahrensgebühr zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 ZPO, auch wenn materiell-rechtlich außergerichtliche Inkassokosten in Höhe einer vollen Geschäftsgebühr zugesprochen wurden.

Sowohl das OLG Jena[2] als auch das OLG Koblenz[3] kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Anrechnung einer "fiktiven Geschäftsgebühr" wegen vorgerichtlicher Inkassokosten im Kostenfestsetzungsverfahren ausscheidet.

Aktuell hat das AG Leipzig zwei Entscheidungen[4] erlassen und kommt erfreulicherweise ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die außergerichtlichen Inkassokosten nicht auf die Verfahrensgebühr des Anwaltes im Erkenntnisverfahren anzurechnen sind.

In diesem Rechtsstreit ging es darum, dass die dortigen Kläger Schadenersatzansprüche zunächst außergerichtlich über ein Inkassounternehmen geltend gemacht hatten. Der dortige Beklagte hat im Mailverkehr eine Regulierung über die Haftpflichtversicherung angekündigt, was nicht erfolgte. Drei Monate später beauftragten die Kläger das Inkassounternehmen mit der außergerichtlichen Geltendmachung. Eine Zahlung erfolgte wiederum nicht. Im Rahmen des vom Inkassounternehmen betriebenen gerichtlichen Mahnverfahrens legte der Beklagte Einspruch gegen die Vollstreckungsbescheide ein, welche eine 1,3-Geschäftsgebühr als außergerichtliche Inkassokosten auswiesen. Das Inkassounternehmen regte gegenüber dem Beklagtenvertreter sogar noch an, aus Kostengründen die Einsprüche zurückzunehmen, da anderenfalls ein Kooperationsanwalt mit der Durchführung des Streitverfahrens beauftragt werden müsste. Eine Rücknahme der Einsprüche erfolgte nicht, dafür wurden dann im Streitverfahren die geltend gemachten Forderungen einschließlich Zinsen bezahlt, sodass der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Materiell-rechtliche Einwände gegen die vorgerichtlichen Inkassokosten wurden also nicht erhoben. Erst im Kostenfestsetzungsverfahren meinte der Beklagtenvertreter, dass hier eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des Prozessanwaltes erfolgen müsse. Diesem Ansinnen erteilte das AG Leipzig sowohl unter Berücksichtigung der ex-ante-Sicht des Gläubigers, wonach er aufgrund der Regulierungsankündigung bei Beauftragung des Inkassounternehmens nicht mit einer streitigen Auseinandersetzung rechnen musste, und aufgrund der Unterschiedlichkeit der vorprozessual und prozessual tätigen Bevollmächtigten eine klare Absage.

Autor: Harald...

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