Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 bis 6 RVG zulässig, da das ArbG die Beschwerde zugelassen hat. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt worden.

In der Sache selbst ist die Beschwerde begründet. Der Klägerinvertreter hat Anspruch darauf, dass die ihm gegenüber festzusetzende Vergütung i.H.v. 1.294,72 EUR festgesetzt wird. Die seitens des ArbG vorgenommene Vergütungsfestsetzung i.H.v. 1.244,15 EUR ist nicht korrekt berechnet.

Nach der Nr. 2503 Abs. 2 RVG ist die Geschäftsgebühr i.H.v. 85,00 EUR auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Voraussetzung für die Gebührenanrechnung ist, dass sich die Gegenstände im Rahmen der Beratungshilfetätigkeit und des sich anschließenden Verfahrens zumindest teilweise decken (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., VV 2500–2508, Rn 41). Dies ist vorliegend der Fall, da der Klägerinvertreter für eine vorgenommene Beratungshilfe in diesem Verfahren 121,38 EUR erhalten hat.

Entscheidend kommt es darauf an, dass der Klägerinvertreter nach § 15 Abs. 3 RVG durch die vorzunehmende Kappung nicht mehr als 347,10 EUR erhalten kann. Dies folgt aus § 15 Abs. 3 RVG: Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr. Dies sind 5,866,00 EUR mit einer 1,3 Gebühr, demgemäß 347,10 EUR.

Streitig ist nunmehr, ob die hälftige Geschäftsgebühr i.H.v. 85,00 EUR von der 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 334,10 EUR abzuziehen ist oder von der Obergrenze nach § 15 Abs. 3 RVG mit einem Wert von 1,3 aus 5.866,00 EUR. Die erste Variante wäre für den Klägerinvertreter günstiger, da sie in der Summe zu einer festzusetzenden Vergütung i.H.v. 1.294,72 EUR führt.

Richtigerweise ist erst die Geschäftsgebühr auf die Gebühr nach Nr. 3100 VV anzurechnen und sodann zu ermitteln, ob die Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG überschritten wird (OLG München BeckRS 2012, 5995; OLG Karlsruhe AGS 2011, 165; OLG Stuttgart AGS 2009, 56; Enders, JurBüro 2009, 225, 351; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, 10. Aufl., § 15 Rn 45; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., § 15 Rn 97).

Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 RVG; danach findet eine Anrechnung nur statt, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr entsteht. Diese Voraussetzung ist nur hinsichtlich des rechtshängigen Anspruchs erfüllt. Auch der Zweck der Anrechnungsvorschrift, die verhindern will, dass die – annähernd – gleiche Tätigkeit zweimal vergütet wird, wenn sie für unterschiedliche Angelegenheiten anfällt (Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, § 15 Rn 45, Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV Vorbem. 3 Rn 245), unterstützt diese Vorgehensweise.

Zwar normiert der Wortlaut der Nr. 2503 Abs. 2 VV, dass auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren die Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen ist. Hieraus könnte der Schluss gezogen werden, dass zunächst die Kappungsgrenze zu ermitteln ist und sodann die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr zu erfolgen hat. Für diese Vorgehensweise wird vertreten, dass die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV im Gegensatz zur Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 bis 2303 VV nicht nur auf die Verfahrensgebühr, sondern auf sämtliche Gebühren im anschließenden gerichtlichen Verfahren zur Hälfte anzurechnen ist (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 24. Aufl., VV 2500-2508, Rn 41). Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann aus der Formulierung der Nr. 2503 VV nicht abgeleitet werden, dass zunächst die Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG zu ermitteln und sodann die hälftige Geschäftsgebühr abzuziehen ist. Die Anrechnung der Gebühren auf ein anschließendes gerichtliches Verfahren schließt die Anrechnung auf die rechtshängigen Ansprüche, für die der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr erhalten hat, nicht aus. Diese Form der Anrechnung ist unter Berücksichtigung einer weiten Auslegung der Formulierung der Nr. 2503 Abs. 2 RVG ebenfalls möglich und passt in den Gesamtkontext der Kommentierungen zu Nr. 3100 VV.

Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Anrechnung zur Verhinderung einer doppelten Vergütung für gleiche Tätigkeiten muss beachtet werden, dass bezüglich der in den Vergleich einbezogenen, nicht rechtshängigen Ansprüche vom Rechtsanwalt kein vorgerichtlicher Aufwand betrieben worden ist, der ihm die spätere Arbeit im gerichtlichen Verfahren erleichtert hat (OLG Karlsruhe AGS 2011, 165; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, § 15 Rn 45). Insofern wäre eine Anrechnung nach Ermittlung der Kappungsgrenze des § 15 Abs. 3 RVG systemwidrig.

AGS 3/2020, S. 109 - 111

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