Die Entscheidung ist zu begrüßen und zu kritisieren.

Sie ist zu begrüßen, weil sie zutreffend und hervorragend begründet darstellt, dass der Rechtsanwalt, der – vermeintlich – nur in der Zwangsvollstreckung tätig wird, sich nicht immer mit einer Vergütung nach Nr. 3309 VV bescheiden muss.

Es ist auch bei der Abwehr von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vielmehr genau hinzusehen.

  Beschränkt sich die Tätigkeit darauf, Vollstreckungsschutzanträge zu stellen oder Vollstreckungsverfahrensrechtliche Einwände zu erheben, so verbleibt es dabei, dass diese Tätigkeit mit der Festgebühr von Nr. 3309 VV zu honorieren ist.
  Geht es aber darum, die bereits titulierte Forderung zu Fall zu bringen, etwa durch eine Vollstreckungsgegenklage oder eine negative Feststellungsklage, so muss sich der Rechtsanwalt – dies stellt der BGH überzeugend fest – mit materiellen Rechtsfragen sowie der Beweislage umfassend auseinandersetzen.

Die Situation entspricht vom Arbeitsaufwand und von der Art der Tätigkeit eher – trotz titulierter Forderung – der gleichen Situation, der sich ein Anwalt bei einer nicht titulierten Forderung gegenübersieht, sei es, dass er eine solche Forderung vorbereitet und geltend macht, sei es, dass er mit wohl erwogenen Argumenten die Forderung außergerichtlich abwenden will.

Die grundsätzlich positive Beurteilung erfährt allerdings eine Korrektur, wenn es am Ende der Entscheidung heißt:

"Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 % … zusteht."

Der BGH setzt hiermit seinen Fehler aus der Entscheidung vom 31.10.2006 fort, wo er fälschlicherweise die Schwellengebühr als eine Art neue Mittelgebühr bezeichnet hat.

Tatsächlich stellt sich die Schwellengebühr als eine absolute Kappungsgrenze dar. Hier hilft auch die Toleranzgrenze nicht weiter. Gelangt man bei der Beurteilung der Bewertungskriterien und der nach dem Gesetz zwingend gebotenen Beurteilung der besonderen Bewertungskriterien Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu dem Ergebnis, dass hier nur von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen ist, so ist es völlig gleichgültig, zu welcher Gebührenhöhe man bei den anderen Bewertungskriterien gelangen würde, sei es mit oder auch ohne Beachtung der Toleranzgrenzen.

Die jeweils ermittelte Gebühr ist zwingend auf 1,3 zu kürzen, wenn weder beim Schwierigkeitsgrad noch beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zumindest leicht überdurchschnittliche Verhältnisse festgestellt werden können.

Wollte man der neuesten Rspr. des BGH folgen, würde die Anmerkung zu Nr. 2300 ad absurdum geführt.

Praktisch könnte der Anwalt nunmehr in fast allen Fällen die heiß begehrte Mittelgebühr in Rechnung stellen, obgleich weder beim Schwierigkeitsgrad noch beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit auch nur leicht überdurchschnittliche Verhältnisse vorhanden sind.

So anwaltsfreundlich die Entscheidung sein mag, sie kann schon deshalb nicht akzeptiert werden, weil sie das gesamte Beurteilungsgefüge außer Kraft setzen würde.

Man wird also abwarten müssen, ob sich der Gesetzgeber tatsächlich irgendwann einmal von der Anm. zu Nr. 2300 VV verabschiedet.

Es wundert übrigens nicht wenig, dass der BGH hier zu einer derartigen Beurteilung gelangt ist, für die sich nirgendwo in der Kommentierung eine Stütze finden lässt.

Herbert P. Schons

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