Durch Kostenfestsetzungsbeschluss hat das AG die der Beschwerdeführerin zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 999,60 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Kosten für einen von ihr beauftragten Sachverständigen wurden demgegenüber nicht erstattet.

Die hiergegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Die geltend gemachten Kosten für das von der Beschwerdeführerin eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. X gehören zu den nach § 464a Abs. 2 StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen. Zwar sind private Ermittlungen in der Regel nicht notwendig, weil Staatsanwaltschaft und Gericht bereits von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind. Die Möglichkeiten, ggfs. Beweisanträge im Ermittlungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren zu stellen, muss der Beschuldigte bzw. Angeklagte daher grds. ausschöpfen, bevor private Sachverständigengutachten eingeholt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 464a Rn 16 m.w.N.). Eine Erstattungsfähigkeit kommt demgegenüber ausnahmsweise in Betracht, wenn sich die Prozesslage des Angeklagten aus seiner Sicht bei verständiger Betrachtung der Beweislage ohne solche eigenen Ermittlungen alsbald erheblich verschlechtert hätte oder wenn komplizierte technische Fragen betroffen sind, sodass insbesondere die Einholung eines Privatgutachtens im Interesse einer effektiven Verteidigung als angemessen und geboten erscheinen durfte (Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 464a Rn 7 m.w.N.).

So ist es hier: In dem wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen die Beschwerdeführerin geführten Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft bereits das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Y eingeholt, um zu klären, ob eine von der Beschwerdeführerin beim Einparken ihres PKWs verursachte Beschädigung eines anderen Fahrzeuges von dieser wahrnehmbar gewesen ist. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die "akustische und taktile-/vestibuläre Wahrnehmbarkeit aus technischer Sicht seitens der Beschuldigten für den in Rede stehenden Vorgang als wahrnehmbar zu bewerten" sei. Mit diesem vorläufigen Beweisergebnis hat die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführerin einen Strafbefehl beantragt, der vom AG erlassen wurde. Das AG hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es die Beschwerdeführerin auf Grundlage der Akten- und Beweislage für hinreichend verdächtig hält (vgl. § 408 Abs. 2 und 3 StPO), sodass diese mit einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit rechnen musste. In einem solchen Fall erscheint es im Sinne einer effektiven Verteidigung gegen den Tatvorwurf durchaus notwendig, dem bisherigen Beweisergebnis durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens entgegenzutreten. Auch hätte die Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung – anders als in dem von der Bezirksrevisorin zitierten Beschl. d. Kammer v. 12.12.2016 (5 Qs 478/16) – nur noch eingeschränkte prozessuale Möglichkeiten gehabt, den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen entgegentreten zu können. Insbesondere der Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen hätte vom Gericht unter den erleichterten Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 S. 2 StPO abgelehnt werden können. Jedenfalls musste die Beschwerdeführerin mit dieser Möglichkeit rechnen, sodass sie sich nur durch substantiierte Einwendungen gegen das bisherige Gutachten effektiv verteidigen konnte, für die sie im Hinblick auf die komplizierten technischen Fragestellungen auf die Hilfe eines Privatgutachters angewiesen war (vgl. BVerfG NJW 2006, 136).

Die somit notwendigen Sachverständigenkosten sind auch in der geltend gemachten Höhe zu erstatten. Die Kammer teilt die Auffassung der Bezirksrevision nicht, wonach die Kosten für ein privat eingeholte Sachverständigengutachten ausschließlich nach den Grundsätzen des JVEG zu erstatten sei. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich wie auch in Zivilsachen gerade nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG (BGH NJW 2007, 1532). Diese können allerdings als Richtlinie herangezogen werden, auf deren Grundlage der privatrechtlich vereinbarte Stundensatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen ist (Schneider, JVEG, 3. Aufl., § 1 Rn 148 m.w.N.). Dies gestaltet sich hier allerdings schwierig, da der Sachverständige X den Gesamtaufwand seines Gutachtens pauschal mit 595,00 EUR abgerechnet hat. Aus seiner Kostenrechnung wird allerdings deutlich, dass er inhaltlich im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten in Rechnung gestellt hat, wie der Sachverständige Y. Sein Gutachten ist sowohl hinsichtlich der schriftlichen Ausführungen als auch hinsichtlich der Anlagen (Lichtbilder, Skizzen, Diagramme etc.) deutlich umfangreicher als das Gutachten des Sachverständigen Y. Da es trotzdem deutlich günstiger als das Y Gutachten (948,07 EUR) war, erscheint es im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung ausgeschlossen, dass die Stundensätze des Sachverständigen X die Vergütungssätze des JVEG überstiegen haben, wobei insoweit sogar eine Abweichung um bis zu 20 % für vertretbar era...

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