Mit der vor einem Jahr erschienenen Vorauflage hatte der langjährige alleinige Bearbeiter des traditionsreichen, von Adolf Baumbach begründeten ZPO-Kommentars, Dr. Dr. Peter Hartmann, das Werk in die Hände von zehn Praktikern gelegt. Mit der 79. Auflage legen diese, allesamt aktive oder ehemalige Richter, die zweite Bearbeitung des Kommentars in ihrer Autorenschaft vor. Deren Handschrift macht sich auch gleich bemerkbar, haben die neuen Autoren doch dem ZPO-Kommentar ihren Stempel merkbar aufgedrückt.

Aus aktuellem Anlass werden an verschiedenen Stellen des Werkes die sich aus der Corona-Krise völlig neu stellenden Fragenstellungen besprochen, etwa in §§ 128 Abs. 2, 224, 227, 233, 245, 247, 335 ZPO und §§ 169, 172, 176 GVG. Aufgrund der Corona-Pandemie hat auch der bisher eher ein Schattendasein führende § 128a ZPO betreffend die mündliche Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Dies schlägt sich in der praxisgerechten Kommentierung dieser Vorschrift von Anders nieder. Einen weiteren Schwerpunkt haben die neuen Autoren auf die Kommentierung der die E-Akte betreffenden Vorschriften der §§ 130a bis 130d ZPO gelegt, die ebenfalls von Anders erläutert werden.

Die bisher sehr anwenderfreundliche Darstellung wird auch in der 79. Auflage beibehalten. Der Kommentar überzeugt mit einer übersichtlichen Darstellung durch kurze und übersichtlich gegliederte systematische Abschnitte, die vielfach durch ABC-Übersichten ergänzt werden. So gibt bspw. der gut 40 Seiten umfassende Wertschlüssel von Gehle im Anhang zu § 3 ZPO einen umfassenden Überblick über die Grundzüge des Streitwertrechts.

Für die Leser dieser Zeitschrift von besonderer Bedeutung sind die kostenrechtlichen Erörterungen. Zum Begriff der Notwendigkeit von Kosten als Voraussetzung ihrer Erstattungsfähigkeit weist die beispielhafte, alphabetisch geordnete Aufzählung von Gehle unter § 91 Rn 23 ff. eine Vielzahl von Stichworten auf. Zum Begriff der Notwendigkeit gab es bis vor kurzem unter den verschiedenen Zivilsenaten des BGH unterschiedliche Auffassungen. Gehle weist unter § 91 Rn 45 nunmehr in der 79. Auflage auf den aktuellen Stand der Rspr. des BGH hin, nach dem sich die Notwendigkeit von Kosten nicht mehr allein aus der objektiven Lage ergibt, sondern aus der "verobjektivierten" ex-ante Sicht der jeweiligen Prozesspartei unter Berücksichtigung ihrer Kenntnisse von den maßgeblichen Umständen. Dabei verweist Gehle auch auf meine zusammenfassende Darstellung in zfs 2019, 484 ff.

Auch seine Erläuterungen unter § 91 ZPO Rn 107 zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einer nach Rücknahme des Verfügungsantrags eingegangenen Schutzschrift hat Gehle in der Neuauflage nunmehr auf den neuesten Stand gebracht. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass der I. ZS des BGH, der die subjektive Sicht des Erstattungsberechtigten nicht berücksichtigt hatte, seine Auffassung auf Anfrage des V. ZS des BGH (zfs 2019, 524 m. Anm. Hansens = RVGreport 2019, 344 [Hansens]) ausdrücklich aufgegeben hatte. Die Besonderheiten bei der Kostenerstattung im Rechtsmittelverfahren erörtert Gehle unter § 91 ZPO Rn 125 ff. sach- und praxisgerecht. Insbesondere weist er auf die neue Rspr. des BGH hin, wonach eine Anwaltsbestellung in unverschuldeter Unkenntnis der zwischenzeitlichen Rechtsmittelrücknahme abweichend von der früheren Rspr. des BGH als notwendig anzusehen ist.

Obwohl die Kommentierung des § 91 ZPO mit den ABC-Übersichten schon aus sich heraus recht übersichtlich ist, ist der Vorschrift ein Stichwortregister vorangestellt, das den Inhalt dieser Vorschrift schnell erschließt.

Bei der Kommentierung des Kostenfestsetzungsverfahrens in den §§ 103 ff. ZPO hat mir die ABC-Übersicht von Bünnigmann gut gefallen, der in § 103 ZPO ab Rn 5 die für die Kostenfestsetzung geeigneten Vollstreckungstitel aufführt. Den Ausführungen von Dunkhase zur Frage der Zulässigkeit von Einreden im Rahmen des eigenen Beitreibungsrechts des PKH-Anwalts nach § 126 ZPO könnte unter Rn 32 noch die die Zulässigkeit der Einrede der Abtretung und der Aufrechnung betreffende grundlegende Entscheidung des BGH (RVGreport 2016, 73 [Hansens]) angefügt werden.

Beispielhaft ist demgegenüber die rund acht Seiten umfassende ABC-Übersicht von Hunke über die erstattungsfähigen Kosten der Zwangsvollstreckung unter § 788 ZPO Rn 19 ff.

Auch in der 79. Auflage ist der "Baumbach/Lauterbach" ein praxisgerechter und aktueller Handkommentar zur ZPO und den Nebengesetzen. Die zehn neuen Mitarbeiter haben dem Wert schon ihren Stempel aufgedrückt, was an der größeren Übersichtlichkeit und der höheren Aktualität der Erläuterungen sichtbar wird. Kleinere Schwächen bei einigen Erläuterungen im Bereich des Kostenrechts werden sicherlich bald behoben, wie es schon in der aktuellen 79. Auflage des ZPO-Kommentars erkennbar wird.

Autor: Heinz Hansens

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 1/2021, S. III

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