Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 6.6.2019 entschieden, dass verschiedene Abmahnungen wegen einer Urheberrechtsverletzung eine Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG darstellen können.[5] Das gilt auch dann, wenn der Rechtsinhaber gegenüber unterschiedlichen, rechtlich oder wirtschaftlich nicht verbundenen Unternehmen oder Personen in engem zeitlichem Zusammenhang getrennte, im Wesentlichen gleichlautende Abmahnungen wegen des rechtswidrigen Vertriebs von Vervielfältigungsstücken derselben Werke ausspricht.[6]

In dem konkreten Fall hatte die Klägerin als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an drei verschiedenen Filmen die Beklagte wegen eines im Dezember 2016 erfolgten Vertriebs solcher DVDs abmahnen lassen. Im Dezember 2016 und Januar 2017 wurden weitere 12 Unternehmen bzw. Personen abgemahnt und insgesamt 42 Rechtsverletzungen abgemahnt. In jedem dieser Abmahnschreiben wurden Anwaltskosten geltend gemacht, die jeweils nach einem Gegenstandswert von 15.000,00 EUR berechnet waren.

Der BGH ist hier von einer einheitlichen Angelegenheit ausgegangen. Es könne dann von einer Angelegenheit ausgegangen werden, wenn zwischen den anwaltlichen Tätigkeiten ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen. Unerheblich sei, dass der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Dabei kann eine Angelegenheit durchaus mehrere Gegenstände umfassen. Eine Angelegenheit kann auch vorliegen, wenn ein dem Rechtsanwalt zunächst erteilter Auftrag vor dessen Beendigung später ergänzt wird. In dem vorliegenden Fall hätten die gegenüber verschiedenen Unternehmen und Personen ausgesprochenen Abmahnungen das gemeinsame Ziel, der rechtswidrigen Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der drei Werke entgegenzuwirken. Dabei sei es für den verfahrensrechtlichen Zusammenhang ohne Belang, dass gegen verschiedene Rechtsverletzer an jeden Adressaten ein eigenes Abmahnschreiben zu richten ist.

Das Gericht hat, da nur eine Angelegenheit vorlag, die zu erstattenden Anwaltskosten folglich nur anteilig berechnet (s. das Beispiel unten). Es hat dabei zunächst den Gesamtwert ermittelt, der sich aus der Addition der für die einzelnen Abmahnungen zugrunde gelegten Gegenstandswerte errechnet. Der auf den einzelnen Rechtsverletzer entfallende Betrag berechnet sich aus seinem Anteil an der Gesamtzahl der gefertigten Abmahnungen.

 

Beispiel

Wegen der Verletzung des Urheberrechts an 3 DVDs werden jeweils 14 verschiedene Personen abgemahnt. Es werden insgesamt 42 Abmahnungen (14 x 3) ausgesprochen. Dabei werden jeweils 15.000,00 EUR für die Berechnung der Anwaltskosten zugrunde gelegt.

Da nach der Auffassung des Gerichts nur eine einheitliche Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 RVG) vorliegt, ist von einem Gegenstandswert von insgesamt 630.000,00 EUR auszugehen (42 x 15.000,00 EUR). Es ist zudem nur eine Geschäftsgebühr entstanden, die sich nach dem Wert von 630.000,00 EUR berechnet. Da jeder einzelne Rechtsverletzer lediglich drei Abmahnungen erhalten hat, ist jeweils lediglich ein 3/42 Anteil zu erstatten.

Der Anwalt der Rechtsinhaberin kann von seinem Auftraggeber folgende Vergütung fordern:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 2300 VV 4.761,90 EUR
  (Wert: 630.000,00 EUR)  
2. Postpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 908,56 EUR
Gesamt 5.690,46 EUR

Von dem einzelnen Rechtsverletzer können jedoch nur 3/42 = 406,46 EUR verlangt werden.

[5] BGH MDR 2019, 1282.
[6] BGH MDR 2019, 1282.

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