Höchst strittig war, wie zu verfahren ist, wenn die Prüfung ergibt, dass die Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts nicht notwendig war.

Nach einem Teil der Oberlandesgerichte sollten in diesem Fall gar keine Reisekosten zu erstatten sein:

OLG Celle, Beschl. v. 22.6.2015 – 2 W 150/15, AGS 2015, 442 m. Anm. N. Schneider = NJW 2015, 2670 = RVGreport 2015, 386,
OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.11.2015 – 6 W 100/15, AGS 2016, 361 = JurBüro 2016, 203 = ErbR 2016, 520,
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.4.2017 – 20 WF 58/17, MDR 2017, 730 = FamRZ 2017, 1417 = MDR 2017, 934 = RVGreport 2017, 347 = FF 2017, 466,
OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.6.2017 – 6 W 33/17, JurBüro 2017, 426,
OLG Celle, Beschl. v. 9.3.2018 – 2 W 43/18 (Rechtsbeschwerde hiergegen anhängig unter VIII ZB 37/18).

Nach der überwiegenden Rspr. sollte dies dagegen nicht zum völligen Ausschluss der Kostenerstattung führen. Vielmehr sollten die Kosten dieses Anwalts bis zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts zu erstatten sein. Dabei sollte auf die höchstmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk abzustellen sein, also auf den vom Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks. Ob dort tatsächlich ein Anwalt ansässig sei, sollte dabei unerheblich sein.

AG Kiel, Beschl. v. 14.2.2013 – 59 F 12/11, AGS 2014, 8 = NJW-RR 2013, 892 = JurBüro 2013, 591,
AG Marbach am Neckar, Beschl. v. 6.11.2013 – 3 C 32/12, AGS 2014, 210 = Rpfleger 2014, 289 = NJW-Spezial 2014, 348,
LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11, AGS 2015, 7 = NJW 2015, 498 m. Anm. Schons = AnwBl 2015, 351 = MDR 2015, 427 = Rpfleger 2015, 369 = JurBüro 2015, 255 = ErbR 2015, 135 = RVGprof. 2015, 76,
OLG Frankfurt, Beschl. v. 23. 3. 2015 – 25 W 17/15, AGS 2017, 101,
OLG Schleswig, Beschl. v. 24.7.2015 – 9 W 26/15, AGS 2015, 487 = NJW 2015, 3311 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2015, 385,
OLG Köln, Beschl. v. 25.11.2015 – 17 W 247/15, AGS 2016, 55 = AnwBl 2016, 361 = RVGreport 2016, 68 = NJW-Spezial 2016, 157 = MDR 2016, 184 = NZFam 2016, 186,
AG Waldbröl, Beschl. v. 25.4.2017 – 15 C 114/14, AGS 2017, 258 = NJW-Spezial 2017, 445,
AG Frankfurt, Beschl. v. 22.8.2017 – 30 C 2295/16 (20), AGS 2017, 492.

Klarstellung durch BGH

Diese Streitfrage hat nunmehr der BGH im Sine der zweiten Auffassung entschieden:

 

Erstattung der Reisekosten eines Anwalts außerhalb des Gerichtsbezirks

Ist die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO, führt dies lediglich dazu, dass die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung von bezirksansässigen Prozessbevollmächtigten entstanden sind, nicht zu erstatten sind. Tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts sind deshalb insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.

BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17, AGS 2018 319 (in dieser Ausgabe)

Im Fall des BGH hatte sich die in Frankfurt ansässige Klägerin in einem Rechtsstreit vor dem LG Frankfurt durch einen Rechtsanwalt aus Düsseldorf vertreten lassen. Die Klage war erfolgreich. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten auferlegt. Hiernach beantragte die Klägerin die Kostenfestsetzung, darunter auch die Reisekosten ihres Düsseldorfer Anwalts bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des LG-Bezirks Frankfurt. Das LG hatte die Festsetzung abgelehnt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hatte das OLG Frankfurt (JurBüro 2017, 426) zurückgewiesen. Der BGH hat der Klägerin Recht gegeben und weist insoweit zu Recht darauf hin, dass anderenfalls in mehrfacher Hinsicht eine Ungleichbehandlung erfolgen würde.

So ist es in der Tat nicht nachzuvollziehen, dass ein Anwalt, dessen Kanzlei 100 km vom Gericht entfernt, aber noch im Gerichtsbezirk liegt, die volle Reisekostenerstattung erhält, während ein Anwalt, der seine Kanzlei nur 20 km vom Gericht entfernt hat, bei der Kostenerstattung ausgeschlossen sein soll, weil seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk liegt.

Es ist zudem ein allgemeiner Grundsatz, dass nicht notwendige Kosten stets insoweit zu erstatten sind, als dadurch fiktive notwendige Kosten erspart worden sind. Dies ist die z.B. beim Terminsvertreter einhellige Rechtsprechung. Sind die Kosten eines Terminsvertreters dem Grundsatz nach nicht erstattungsfähig, weil die Anreise des Hauptbevollmächtigten günstiger gewesen wäre, dann ist die Erstattungsfähigkeit der Terminsvertreterkosten aber nicht gänzlich abzulehnen; vielmehr sind seine Kosten bis zur Höhe der ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten festzusetzen (BGH AGS 2015, 241 = AnwBl 2015, 529 = WRP 2015, 753 = Rpfleger 2015, 425 = NJW-RR 2015, 761 = zfs 2015, 404 = VersR 2015, 909 = GRURPrax 2015, 197 = MDR 2015, 547 = BRAK-Mitt 2015, 155 = FamRZ 2015, 1021 = RVGreport 2015, 267 = RVGprof. 2015, 148). Das Glei...

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