Anwalt hat Wahlrecht

Dem Anwalt steht bei Abtrennung einer Kindschaftssache ein Wahlrecht zu. Er kann die Gebühren einmal aus dem Gesamtwert des Scheidungsverbundverfahrens einschließlich Kindschaftssache verlangen oder die getrennten Gebühren aus dem Scheidungsverfahren ohne die Kindschaftssache und dann zusätzlich die aus der isolierten Kindschaftssache.

 

Beispiel

In einem Verbundverfahren (Ehesache 6.000,00 EUR, Versorgungsausgleich 1.800,00 EUR, elterliche Sorge 1.200,00 EUR) wird nach mündlicher Verhandlung gem. § 140 Abs. 2 Nr. 3 FamFG die Folgesache elterliche Sorge abgetrennt. Sowohl im Verbund als auch im isolierten Verfahren wird nach der Abtrennung erneut verhandelt.

Es gilt § 137 Abs. 3, Abs. 5 S. 2 FamFG. Die Kindschaftssache wird zur selbstständigen Familiensache. Der Anwalt kann wählen, ob er gemeinsam oder getrennt abrechnet, wobei hier zu beachten ist, dass mit der Abtrennung der Kindschaftssache diese zu einer selbstständigen Familiensache wird und daher nicht mehr der Wert des § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG gilt, sondern der des § 45 FamGKG.

I. Gemeinsame Abrechnung Verbundverfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 9.000,00 EUR)   583,70 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV    
  (Wert: 9.000,00 EUR)   538,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.142,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   217,08 EUR
Gesamt 1.359,58 EUR

II. Getrennte Abrechnung

a) Verbundverfahren ohne elterliche Sorge

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 7.800,00 EUR)   535,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV    
  (Wert: 7.800,00 EUR)   494,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.050,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   199,50 EUR
Gesamt 1.249,50 EUR

b) Isoliertes Verfahren über elterliche Sorge

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 3.000,00 EUR)   245,70 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV    
  (Wert: 3.000,00 EUR)   226,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 492,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   93,58 EUR
Gesamt 586,08 EUR
Gesamt a) + b) 1.835,58 EUR

Die getrennte Abrechnung ist also günstiger.

Getrennte Abrechnung ist auch noch nachträglich möglich

Die getrennte Abrechnung kann der Anwalt auch dann noch vornehmen, wenn er bereits im Scheidungsverfahren voll abgerechnet hat. Er muss sich dann allerdings im isolierten Verfahren die bereits erhaltene Mehrvergütung anrechnen lassen:

 

Abwandlung

Der Anwalt hatte das Scheidungsverfahren bereits einschließlich der Kindschaftssache abgerechnet.

Jetzt muss zunächst berechnet werden, welche Mehrvergütung sich im Verbundverfahren durch die Kindschaftssache ergeben hat. Diese Mehrvergütung ergibt sich aus der Differenz der Vergütung nach dem Gesamtwert des Scheidungsverbundverfahrens zu der Vergütung aus dem Wert ohne Kindschaftssache:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV  
  (Wert: 9.000,00 EUR) 583,70 EUR
2. ./. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV  
  (Wert: 7.800,00 EUR) -535,60 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV  
  (Wert: 9.000,00 EUR) 538,80 EUR
4. ./. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV  
  (Wert: 7.800,00 EUR) -494,40 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
6. ./. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV -20,00 EUR
Gesamt 92,50 EUR

Dieser Betrag ist jetzt im isolierten Verfahren über die elterliche Sorge in Abzug zu bringen, sodass der Anwalt noch folgende weitere Vergütung verlangen kann:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 3.000,00 EUR)   245,70 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV    
  (Wert: 3.000,00 EUR)   226,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
4. abzüglich im Verbund bereits abgerechneter   -92,50 EUR
  Zwischensumme 400,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   76,00 EUR
Gesamt 476,00 EUR

Erneute Verfahrenskostenhilfebewilligung erforderlich

Die im Verbundverfahren für die Kindschaftssache bewilligte Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich nicht auf die abgetrennte selbstständige Kindschaftssache. Es ist deshalb nach Abtrennung ein neuer Antrag und eine entsprechende Beiordnung erforderlich (OLG Braunschweig AGS 2003, 167 = OLGR 2003, 5 = ZFE 2003, 56; OLG Naumburg FamRZ 2001, 1469 = BRAGOreport 2001, 189 = FamRB 2002, 44; ebenso zu einer nach Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG selbstständig fortgeführten Versorgungsausgleichssache: BGH AGS 2011, 167 = NJW 2011, 1141 = FamRZ 2011, 635 = MDR 2011, 442 = FF 2011, 205 = JurBüro 2011, 298 = NJW-Spezial 2011, 219 = FamRB 2011, 104 = NJW-Spezial 2011, 230 = FamFR 2011, 177 = RVGreport 2011, 193 = FuR 2011, 322).

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