Wird ein Vergleich geschlossen, so richtet sich der Wert des Vergleichs nicht danach, worauf sich die Parteien vergleichen, sondern danach, worüber sie sich einigen.

Abfindungen oder Umzugsbeihilfen erhöhen nicht den Wert

Daher sind grundsätzlich "Abfindungen" oder "Umzugsbeihilfen" für die Bewertung eines Räumungsvergleichs unerheblich, da diese lediglich gezahlt werden, um den Gegner zum Abschluss des Räumungsvergleichs zu bewegen (zuletzt LG München I AGS 2012, 144; OLG Hamm AGS 2011, 448 = NJW-RR 2011, 1224 = RVGprof. 2011, 112 = NJW-Spezial 2011, 540 = Info M 2011, 343 = MietRB 2011, 345 = RVGreport 2011, 476). Selbstständige Ungewissheiten oder Streitpunkte sollen hierdurch in der Regel nicht abgegolten werden.

Werterhöhung setzt Regelung selbstständiger Streitpunkte voraus

Nur dann, wenn solche Zuzahlungen zur Abgeltung weitergehender Ansprüche geleistet werden, etwa zur Abgeltung von Renovierungskosten, Schadensersatzansprüchen o.Ä., wirken diese Leistungen werterhöhend (AG Köln AGS 2003, 35 = NJW-RR 2003, 233 = NZM 2003, 106; LG Stuttgart JurBüro 2009, 86; LG Köln BRAGOreport 2001, 108). Maßgeblich ist in diesen Fällen aber ebenfalls nicht der Wert der übernommenen Zahlung, sondern der Wert des Anspruchs, der abgegolten werden soll.

Anders bei Verzicht auf Räumungsfrist oder Vollstreckungsschutz

Anders verhält es sich dagegen, wenn in einem Räumungsvergleich zugleich ein Verzicht des Mieters auf ein eventuelles Räumungsfristverlangen (§ 721a ZPO) sowie auf Vollstreckungsschutz (§ 765a ZPO), soweit gesetzlich zulässig, vereinbart wird. Hier ist zu beachten, dass dem Mieter – im Gegensatz zu den meisten sonstigen Schuldnern – ein eigener Stundungsanspruch in der Form des Räumungsfristantrags zusteht und darüber hinaus auch noch ein besonderer Vollstreckungsschutz. Beide Ansprüche können sogar selbstständig vom Mieter geltend gemacht werden.

Verzicht auf Räumungsfrist oder Vollstreckungsschutz führt zu Mehrwert

Wird daher in einem Räumungsvergleich auch auf Räumungsfrist und Vollstreckungsschutz verzichtet, so wird damit, wenn nicht sogar ein Streit, so doch zumindest die Ungewissheit darüber beseitigt, ob zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal Räumungsfrist oder Vollstreckungsschutz verlangt werden kann. Folglich sind diese mitverglichenen Ansprüche werterhöhend zu berücksichtigen.

Nach der Rspr. ist insoweit ein Mehrwert in Höhe von 20 % der Jahresmiete anzusetzen.

Da die Beseitigung der Ungewissheit eines Rechtsverhältnisses bereits ausreicht, um eine Einigungsgebühr auszulösen, erhält auch der Anwalt aus diesem Mehrwert eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV, die sich in der Regel auf 1,5 belaufen dürfte, da der Räumungsfristantrag in der Regel nicht anhängig ist. Dies gilt erst recht für den Vollstreckungsschutzantrag.

Es handelt sich insoweit auch nicht um einen bloßen einseitigen Verzicht i.S.d. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV, da der Verzicht auf Räumungsfrist und Vollstreckungsschutz bei einem Räumungsvergleich stets als Gegenleistung für einen späteren Auszugszeitpunkt gewährt wird.

 

Beispiel

Der Vermieter kündigt fristlos das Mietverhältnis (monatliche Kaltmiete 500,00 EUR) und erhebt im Januar Räumungsklage.

Im März findet der Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Dort vergleichen sich die Parteien dahingehend, dass der Mieter zum 31. Mai des Jahres die Wohnung räumt und herausgibt. Gleichzeitig vereinbaren die Parteien, dass der Mieter – soweit gesetzlich zulässig – im Gegenzug auf Räumungs- und Vollstreckungsschutz verzichtet.

Es liegt eine Einigung vor. Ausgehend von dem Klageantrag hätte der Mieter sofort räumen müssen. Ihm ist eine "Ziehfrist" bis Ende Mai bewilligt worden. Dafür verzichtet er im Gegenzug auf weitere Fristverlängerungen.

Der Wert der Räumungsklage beläuft sich gem. § 42 Abs. 1, 2 GKG auf den Jahresmietwert, also auf 6.000,00 EUR.

Der Vergleich hat einen nicht anhängigen Mehrwert in Höhe von 20 % der Jahresmiete, also 1.200,00 EUR.

Abzurechnen ist daher wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 6.000,00 EUR) 439,40 EUR  
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV    
  (Wert 1.200,00 EUR) 68,00 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als    
  1,3 aus 7.200,00 EUR   507,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    
  (Wert: 7.200,00 EUR)   494,40 EUR
4. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV    
  (Wert: 6.000,00 EUR)   338,00 EUR
5. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV    
  (Wert: 1.200,00 EUR)   127,50 EUR
  (die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,5 aus 7.200,00 EUR = 618,00 EUR, ist nicht erreicht)    
6. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.487,30 EUR  
7. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   282,59 EUR
Gesamt 1.769,89 EUR

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