Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk sind immer zu erstatten

Die Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind stets zu erstatten. Eine Notwendigkeitsprüfung findet insoweit nicht statt. Dies ist einhellige Rechtsprechung:

  LG Krefeld, Beschl. v. 30.11.2010 – 5 O 384/09, AGS 2011, 577 = RVGreport 2011, 235 = JurBüro 211, 307;
  AG Siegburg, Beschl. v. 13.11.2012 – 103 C 64/12, AGS 2012, 594 m. Anm. Thiel = NJW-Spezial 2013, 93;
  AG Limburg, Beschl. v. 20.12.2012 – 4 C 406/12 (11), AGS 2013, 98 = NJW-Spezial 2013, 124;
  LG Gera, Beschl. v. 5.6.2013 – 2 O 1640/11, AGS 2014, 251;
  LG Krefeld, Beschl. v. 26.3.2014 – 2 O 294/13, AGS 2014, 424 = JurBüro 2014, 377 = NJW-Spezial 2014, 540;
  AG Gießen, Beschl. v. 22.9.2014 – 47 C 329/12, AGS 2014, 544 = NJW-Spezial 2015, 93;
  LG Bonn, Beschl. v. 11.12.2015 – 30 O 3/15, AGS 2016, 31 = AnwBl 2016, 361 = NZFam 2016, 187 = NJW-Spezial 2016, 187.

Notwendigkeitsprüfung nur für Anwälte außerhalb des Gerichtsbezirks

Eine Notwendigkeitsprüfung ist lediglich für solche Anwälte durchzuführen, die ihren Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks haben (§ 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. RVG). Hier ist – wie das Gericht zu Recht ausführt – eine besondere Notwendigkeit erforderlich, die hier nicht gegeben war.

Umstritten ist allerdings, ob in diesen Fällen fehlender Notwendigkeit die Reisekosten gänzlich entfallen oder ob die Reisekosten zumindest bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zu erstatten sind.

H.M. gewährt Erstattung der Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk

Die ganz überwiegende Rechtsprechung bejaht die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk:

  AG Kiel, Beschl. v. 14.2.2013 – 59 F 12/11, AGS 2014, 8 = NJW-RR 2013, 892;
  AG Marbach am Neckar, Beschl. v. 6.11.2013 – 3 C 32/12, AGS 2014, 8 = NJW-RR 2013, 892 = JurBüro 2013, 591;
  LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11, AGS 2015, 7 = NJW 2015, 498 m. Anm. Schons = AnwBl 2015, 351 = MDR 2015, 427 = Rpfleger 2015, 369 = JurBüro 2015, 255 = ErbR 2015, 135 = RVGprof. 2015, 76;
  OLG Frankfurt, Beschl. v. 23. 3. 2015 – 25 W 17/15, AGS 2017, 101;
  OLG Schleswig, Beschl. v. 24.7.2015 – 9 W 26/15, AGS 2015, 487 = NJW 2015, 3311 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2015, 385;
  OLG Köln, Beschl. v. 25.11.2015 – 17 W 247/15, AGS 2016, 55 = AnwBl 2016, 361 = RVGreport 2016, 68 = NJW-Spezial 2016, 157 = MDR 2016, 184 = NZFam 2016, 186;
  AG Waldbröl, Beschl. v. 25.4.2017 – 15 C 114/14, AGS 2017, 258 = NJW-Spezial 2017, 445;
  AG Frankfurt, Beschl. v. 22.8.2017 – 30 C 2295/16 (20), AGS 2017, 492;
  LG Heilbronn, Beschl. v. 21.10.2016 – 8 Qs 31/16, AGS 2017, 102 = NJW-Spezial 2017, 60 = RVGprof. 2017, 57 = RVGreport 2017, 174 (zur vergleichbaren Lage in Strafsachen);
  AG Aschaffenburg, Beschl. v. 23.6.2017 – 333 OWi 125 Js 9560/16, AGS 2017, 493 (zur vergleichbaren Lage in Bußgeldsachen.

Begründet wird dies damit, dass nach § 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts immer erstattungsfähig sind. Beauftragt die Partei einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks, dann könne die Erstattungsfähigkeit nicht völlig verneint werden, insbesondere dann nicht, wenn der Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks im Ergebnis näher am Ort des Gerichts niedergelassen ist als ein erstattungsfähiger Anwalt innerhalb des Gerichtsbezirks am weitest entferntesten Ort.

Vergleichbare Rechtslage bei PKH und VKH

Auch im Rahmen der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe ist es einhellige Rechtsprechung, dass ein Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks, der zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet wird, seine Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks vergütet verlangen kann (OLG Celle AGS 2016, 437 = NdsRpfl 2016, 309 = RVGreport 2016, 300 = NJW-Spezial 2016, 572).

Lediglich das OLG Celle, das OLG Frankfurt (6. Senat) sowie das OLG Karlsruhe sind a.A.:

  OLG Celle, Beschl. v. 22.6.2015 – 2 W 150/15, AGS 2015, 442 m. Anm. N. Schneider = NJW 2015, 2670 = RVGreport 2015, 386;
  OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.11.2015 – 6 W 100/15, AGS 2016, 361 = JurBüro 2016, 203;
  OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.4.2017 – 20 WF 58/17, MDR 2017, 730 = FamRZ 2017, 1417 = MDR 2017, 934 = RVGreport 2017, 347 = FF 2017, 466;
  OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.6.2017 – 6 W 33/17, JurBüro 2017, 426.

Dem Rechtspfleger war diese Rechtsprechung offenbar nicht bekannt. Er hat sich damit jedenfalls nicht auseinandergesetzt.

Rechtsbeschwerde liegt dem BGH vor

Zwischenzeitlich ist nach Mitteilung des BGH eine Rechtsbeschwerde zu dieser Frage anhängig.

 
Hinweis
 

31.7.2017

I ZB 62/17
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 Zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts, dessen Beauftragung nicht notwendig war.

Mit einer Entscheidung des BGH ist im Mai 2018 zu rechnen.

AGKompakt 2/2018, S. 19 - 20

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