Klarstellung der Anrechnung bei mehreren Gebühren

Mit Inkrafttreten des KostRÄG 2021 wird in § 15a RVG ein neuer Absatz 2 (im Referenten- und Regierungsentwurf noch Abs. 3) eingefügt. Mit diesem Absatz 2 wird klargestellt, wie anzurechnen ist, wenn mehrere Gebühren aus Teilwerten auf eine Gebühr aus dem Gesamtwert anzurechnen sind. Diese Frage war bislang strittig.

 

Beispiel

Der Anwalt hatte außergerichtlich für den Auftraggeber gegen B eine Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR geltend gemacht. Gleichzeitig hatte er in einer anderen Angelegenheit eine Forderung des B i.H.v. 6.000,0,00 EUR abgewehrt. Die Streitigkeiten waren umfangreich, aber durchschnittlich, sodass jeweils von der Mittelgebühr auszugehen war. Anschließend erhob der Anwalt für seinen Mandanten Klage auf Zahlung der 8.000 EUR. Der Beklagte B erhob Widerklage wegen seiner 6.000,00 EUR. Es wurde mündlich über Klage und Widerklage verhandelt. Der Streitwert wurde auf 14.000,00 EUR festgesetzt (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG).

Außergerichtlich gesonderte Abrechnung

Außergerichtlich waren zwei verschiedene Angelegenheiten gegeben und damit zwei Geschäftsgebühren entstanden. Abzurechnen war insoweit wie folgt (alte Gebührenbeträge):

 
Praxis-Beispiel
 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   684,00 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 704,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   133,76 EUR
  Gesamt   837,76 EUR
 
II. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   531,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 551,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   104,69 EUR
  Gesamt   655,69 EUR

Im gerichtlichen Verfahren war sodann eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 14.000,00 EUR entstanden. Darauf waren jeweils 0,75 aus 8.000,00 EUR und aus 6.000,00 EUR anzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH sollten beide Geschäftsgebühren in voller Höhe anzurechnen sein.

 

Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf einheitliche Verfahrensgebühr

Rechtsprechung des BGH

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, sodass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

BGH, Beschl. v. 28.2.2017 – I ZB 55/16, AGS 2017, 170

Dies ergab folgende Berechnung (alte Gebührenbeträge):

 
Praxis-Beispiel
 
III. Gerichtliches Verfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 845,00 EUR  
  (Wert: 14.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, – 342,00 EUR  
  0,75 aus 8.000,00 EUR    
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, – 265,50 EUR  
  0,75 aus 6.000,00 EUR    
  verbleibende Verfahrensgebühr   237,50 EUR
4. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   780,00 EUR
  (Wert: 14.000,00 EUR)    
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.037,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   197,13 EUR
  Gesamt   1.234,63 EUR

Gegenauffassung

Nach Auffassung des OLG Koblenz und des OVG Nordrhein-Westfalen war dagegen nicht mehr anzurechnen als eine Gebühr nach dem höchsten Anrechnungssatz aus dem Gesamtwert:

 
Hinweis

Mündet die vorprozessuale Tätigkeit für mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände in einen einheitlichen Prozess wegen sämtlicher Gegenstände, hat die Anrechnung der Geschäftsgebühr ausschließlich aus dem Wert des Gegenstandes des gerichtlichen Verfahrens zu erfolgen.

OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.2008 – 14 W 590/08, AGS 2009, 167

 
Hinweis

Die Geschäftsgebühr für das vorgerichtliche Widerspruchsverfahren ist auf die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren nach einem fiktiven einheitlichen Gegenstand und dem hierfür festgesetzten Gesamt-Streitwert hälftig anzurechnen, wenn für das Widerspruchsverfahren tatsächlich mehrere einzelne Geschäftsgebühren von Teilen des späteren gerichtlichen Streitgegenstandes entstanden sind (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV).

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.7.2017 – 19 E 614/16, AGS 2017, 497

Danach war im gerichtlichen Verfahren wie folgt zu rechnen (alte Gebührenbeträge):

 
Praxis-Beispiel
 
III. Gerichtliches Verfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   845,00 EUR
  (Wert: 14.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, – 342,00 EUR  
  0,75 aus 8.000,00 EUR    
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, – 265,50 EUR  
  0,75 aus 6.000,00 EUR    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG analog nicht mehr als   – 487,50 EUR
  0,75 aus 14.000,00 EUR    
4. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   780,00 EUR
  (Wert: 14.000,00 EUR)    
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.157,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   219,93 EUR
  Gesamt   1.377,43 EUR

Gesetzgeber folgt der Gegenauffassung

Mit dem KostRÄG 2021 wird der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BGH eine klare Absage erteil...

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