Probleme bereitet in der Praxis immer noch, inwieweit das Berufen auf ein Aussageverweigerungsrecht als ausreichende Mitwirkung im Sinne einer zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV (Strafsachen) oder Nr. 5115 VV (Bußgeldsachen) anzusehen ist.

Berufen auf Aussageverweigerungsrecht ist ausreichende Mitwirkung

Der BGH hatte in einer Grundsatzentscheidung diese Frage bereits im Jahre 2011 geklärt und klargestellt, dass das Berufen auf ein Aussageverweigerungsrecht ausreichende Mitwirkung ist. Es handelt sich nicht um ein bloßes Schweigen bzw. um ein Nichtstun, sondern um ein aktives Tun des Verteidigers, der seinen Mandanten dahingehend berät, zur Sache keine Einlassung abzugeben. Wird daraufhin eingestellt, weil sich ohne Geständnis oder Einlassung des Betroffenen bzw. Beschuldigten sich der hinreichende Tatverdacht nicht begründen lässt, hat der Anwalt die Zusätzliche Gebühr verdient.

 

Mitwirkung durch Schweigen

1. Für die Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens kann es genügen, wenn der Verteidiger seinem Mandanten rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und dies der Verwaltungsbehörde mitteilt.

2. Dies gilt nicht, wenn unabhängig von der Einlassung des Betroffenen offenkundig ist, dass dieser die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann.

BGH, Urt. v. 20.1.2011 – IX ZR 123/10, MDR 2011, 392 = AGS 2011, 128 = Rpfleger 2011, 296 = zfs 2011, 285 = JurBüro 2011, 244 = NJW 2011, 1605 = AnwBl 2011, 499 = NZV 2011, 337 = DAR 2011, 434 = NJW-Spezial 2011, 187 = VRR 2011, 118 = BRAK-Mitt 2011, 91 = RVGreport 2011, 182

Kausalität nicht erforderlich

Soweit der BGH in seiner o.g. Entscheidung zusätzlich ausgeführt hat, dass eine Mitwirkung dann nicht vorliege, wenn das Verfahren aus anderen Gründen ohnehin eingestellt worden wäre, trifft dies nicht zu. Die Mitwirkung des Verteidigers muss weder alleinige Ursache, noch Mitursache gewesen sein. Eine solche Kausalität ist vom Gesetz nicht gefordert. Ausreichend ist jegliche Mitwirkung des Verteidigers, die auf eine Förderung bzw. Erledigung des Verfahrens gerichtet ist.

Die Instanzrechtsprechung folgt dieser Entscheidung und stellt an die Kausalität keine besonderen Anforderungen.

 

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Rat zum Schweigen

Der Rat des Verteidigers zum Schweigen ist ausreichende Mitwirkung i.S.d. Nrn. 4141, 5115 VV.

AG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2017 – 22 C 102/17

 

Beispiel

Gegen den Mandanten wird wegen des Verdachts einer Verkehrsunfallflucht ermittelt. Zeugen haben das Auto erkannt, aber nicht den Fahrer. Der Anwalt empfiehlt dem Mandanten, zur Sache keine Angaben zu machen, woraufhin die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdacht einstellt.

Der Verteidiger hat durch seine Mitwirkung die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV verdient.

Außenwirkung des Aussageverweigerungsrechts

Wichtig ist allerdings, dass der Verteidiger den Entschluss des Mandanten, zur Sache keine Angaben zu machen, auch nach außen hin kundtut.

 

Schweigen als Mitwirkung

Die Empfehlung an den Betroffenen, zu den erhobenen Tatvorwürfen zu schweigen, ist nur dann ausreichende Mitwirkung i.S.d. Nr. 5115 VV, wenn der Entschluss, zur Sache keine Angaben zu machen, der Verwaltungsbehörde auch mitgeteilt wird.

AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 4.2.2011 – 850 C 511/10, AGS 2011, 596 = JurBüro 2011, 365 = RVGprof. 2011, 86 = VRR 2011, 199 = StRR 2011, 207

Es genügt allerdings nicht, die Akten einfach kommentarlos zurückzuschicken. In diesem Fall kann die Staatsanwaltschaft bzw. die Behörde nicht erkennen, ob gegebenenfalls doch noch eine Einlassung erfolgt oder nicht. Das Schweigen ist dann möglicherweise für die Einstellung unerheblich. Von daher sollte der Anwalt stets ausdrücklich erklären, wenn sich sein Mandant auf ein Aussageverweigerungsrecht beruft.

Vorläufiges Berufen auf Aussageverweigerungsrecht reicht nicht

Nicht ausreichend ist auch die Erklärung, dass man derzeit zur Sache keine Angaben mache. Auch in diesem Fall steht nicht fest, ob der Betroffene bzw. Beschuldigte im späteren Verlauf des Verfahrens doch noch Angaben machen wird. In diesem Fall ist die Mitwirkung des Anwalts zumindest zweifelhaft.

 
Hinweis

Alleine die Mitteilung eines Verteidigers gegenüber der Behörde: "Jegliche Einlassungen zur Sache bleiben vorbehalten." rechtfertigt nicht den Ansatz einer Zusatzgebühr gemäß Nr. 5115 VV."

AG Berlin-Schöneberg, Urt. v. 27.8.2015 – 106 C 124/15, AGS 2016, 400

 

Praxistipp

Das Berufen auf ein Aussageverweigerungsrecht des Betroffenen bzw. des Beschuldigten ist grundsätzlich ausreichende Mitwirkung i.S.d. Nrn. 4141, 5115 VV. Allerdings sollte der Anwalt stets auch ausdrücklich und unbedingt erklären, dass keine Angaben zur Sache gemacht werden.

Will sich der Betroffene oder Beschuldigte später doch zur Sache einlassen, kann er dies auch, selbst wenn er zunächst erklärt hat, dass er zur Sache keine Angaben machen wollte.

AGKompakt 12/2017, S. 130 - 131

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