Unangemessen hohe Vergütung ist zu kürzen

Ist eine vereinbarte Vergütung unangemessen hoch, so folgt daraus noch nicht die Unwirksamkeit. Vielmehr sieht § 3a Abs. 2 S. 1 RVG vor, dass eine unangemessen hohe Vergütung vom Gericht bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden kann. Zuvor ist ein Gutachten der zuständigen Rechtsanwaltskammer einzuholen (§ 3a Abs. 2 S. 2 RVG).

Nur dann, wenn die vereinbarte Vergütung in sittenwidriger Weise überhöht ist, tritt Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB ein. Eine Möglichkeit zur Herabsetzung besteht dann nicht mehr.

Sittenwidrigkeit nur in Ausnahmefällen

In Anbetracht der Möglichkeit einer Herabsetzung wird eine sittenwidrig hohe Vergütung allerdings nur in extremen Ausnahmefällen angenommen. Neben einem "auffälligen Missverhältnis der Vergütung" muss auch noch eine "verwerfliche Gesinnung" des Anwalts hinzukommen.

 

Sittenwidriges Rechtsanwaltshonorar in einer Vergütungsvereinbarung

1. Bei Anwaltsdienstverträgen ist in der Regel davon auszugehen, dass das auffällige Missverhältnis zwischen den gesetzlichen Gebühren und dem vereinbarten Honorar (hier: "Mindesthonorar") den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung desjenigen rechtfertigt, der sich die überhöhte Vergütung hat zusagen lassen."

2. Dies gilt erst recht, wenn darüber hinausgehend feststellbar ist, dass der Rechtsanwalt die Unterlegenheit des Mandanten auch bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Rechtsanwalt mit der Fertigung einer Selbstanzeige wegen einer begangenen Steuerhinterziehung beauftragt wird und er die durch die öffentliche Berichterstattung über sogenannte Steuer-CDs verstärkte Sorge des Mandanten, für die begangene Steuerhinterziehung (möglicherweise in einem öffentlichen Strafverfahren) belangt zu werden und dadurch auch berufliche Nachteile zu haben, zur Durchsetzung unangemessen hoher Honorarforderungen ausnutzt.

LG Stuttgart, Urt. v. 18.4.2016 – 27 O 382/15, GI aktuell 2016, 122 = JurBüro 2016, 416

Wann von einer unangemessenen Höhe der vereinbarten Vergütung auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach einer früheren Entscheidung des BGH soll die vereinbarte Vergütung unangemessen sein, wenn sie das Fünffache der gesetzlichen Gebühren übersteigt.

 

Überschreitung der gesetzlichen Gebühren um ein Vielfaches

1. Vereinbart ein Rechtsanwalt bei Strafverteidigungen eine Vergütung, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie unangemessen hoch und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO verletzt ist.

2. Die Vermutung einer unangemessen hohen Vergütung kann durch den Rechtsanwalt entkräftet werden, wenn er ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegt, die es möglich erscheinen lassen, bei Abwägung aller für die Herabsetzungsentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte die Vergütung nicht als unangemessen hoch anzusehen.

BGH, Urt. v. 27.1.2005 – IX ZR 273/02, WM 2005, 1337 = NJW 2005, 2142 = BGHReport 2005, 1151 = AnwBl 2005, 582 = AGS 2005, 378 = Rpfleger 2005, 565 = MDR 2005, 1255 = StV 2005, 621 = VersR 2006, 431 = JR 2006, 376 = NJW-Spezial 2005, 382 = BRAK-Mitt 2005, 244

Auf die Entscheidung des BVerfG:

 

Überschreitung der gesetzlichen Gebühren um ein Vielfaches

Die Überschreitung der gesetzlichen Gebühren um einen bestimmten Faktor darf zur Bestimmung der Unangemessenheit nicht allein maßgeblich sein. Die Fachgerichte sind jedoch an der Anwendung einer solchen tatsächlichen Vermutung nicht gehindert, wenn diese de facto erschüttert werden kann; sie können die Angemessenheit einer Vergütungsvereinbarung jedoch auch anhand völlig anderer Ansätze prüfen.

BVerfG, Beschl. v. 15.6.2009 – 1 BvR 1342/07, AnwBl 2009, 650 = StraFo 2009, 323 = zfs 2009, 523 = AGS 2009, 423 = RVGreport 2009, 299 = StRR 2009, 318 = RVGprof. 2009, 156

hat der BGH seine Auffassung dahingehend relativiert, dass nur eine Vermutung für die Unangemessenheit spreche, die durch die Darlegung entkräftet werden könne, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen sei.

 

Unangemessene Höhe einer vereinbarten Vergütung

Die aus dem Überschreiten des fünffachen Satzes der gesetzlichen Gebühren herzuleitende Vermutung der Unangemessenheit eines vereinbarten Verteidigerhonorars kann durch die Darlegung entkräftet werden, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist (Modifikation von BGHZ 162, 98 = AGS 2005, 378).

BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, AGS 2010, 267 = BGHZ 184, 209 = WM 2010, 673 = NJW 2010, 1364 = MDR 2010, 529 = AnwBl 2010, 362 = StraFo 2010, 171 = StV 2010, 261 = StRR 2010, 123 = BRAK-Mitt 2010, 146 = JurBüro 2010, 305 = NJ 2010, 392

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