Leitsatz

Im Rahmen der Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe kann auch eine Rechtsanwaltsgesellschaft, zu deren Geschäftsführern andere Personen als Rechtsanwälte gehören, nach § 121 ZPO beigeordnet werden.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.1.2013 – 10 WF 1449/12

1 I. Der Fall

Der Antragsgegner hatte im zugrunde liegenden Kindesunterhaltsverfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der R. & S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (im Folgenden: R. & S. GmbH) beantragt. Das FamG hat daraufhin dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt, ihm allerdings nur die sachbearbeitende Rechtsanwältin als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Dagegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die R. & S. GmbH als Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen. Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass die Beiordnung der R. & S. GmbH nicht in Betracht komme, da einer der Geschäftsführer als Steuerberater und Rechtsbeistand nicht befugt sei, "im Familienrecht fremde Rechtsangelegenheiten zu regeln".

Das OLG hat die angefochtene Entscheidung antragsgemäß abgeändert.

2 II. Die Entscheidung

Nach § 121 ZPO kann nicht nur ein Rechtsanwalt als Einzelperson beigeordnet werden, sondern auch eine nach § 59g BRAO zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaft (so auch BGH AGS 2008, 608 = FamRZ 2009, 37 = MDR 2009, 103 = Rpfleger 2009, 87 = NJW 2009, 440 = AnwBl 2009, 74 = NJW-Spezial 2009, 95 = RVGreport 2009, 78). Der Wortlaut des § 121 Abs. 1 ZPO steht der Beiordnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht entgegen. Zwar ist dort nur von einem "beizuordnenden Rechtsanwalt" die Rede. Diese Vorschrift ist jedoch verfassungskonform dahin auszulegen, dass auch Rechtsanwaltsgesellschaften im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet werden können. Dies gilt insbesondere in Anbetracht dessen, dass eine vermögende Prozesspartei nach Einführung des § 59l BRAO eine Rechtsanwaltsgesellschaft als Bevollmächtigte beauftragen und die mit einer Arbeitsteilung der dort agierenden Anwälte verbundenen Vorteile nutzen könnte, während sich eine bedürftige Prozesspartei auf die Beiordnung eines Einzelanwaltes beschränken lassen müsste (siehe BGH, a.a.O.).

Auch eine Rechtsanwaltsgesellschaft untersteht dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG. Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, Rechtsanwaltsgesellschaften, bei denen auch andere Personen als Rechtsanwälte Geschäftsführer sind, von einer Beiordnung auszuschließen, soweit dies nach § 59e BRAO zulässig ist. Auch eine "gemischte" Rechtsanwaltsgesellschaft muss unbeschränkt ihrer beruflichen Bestimmung nachgehen können. Soweit ein einzelner Geschäftsführer nicht als anwaltlicher Vertreter in Familiensachen vor Gericht auftreten kann, ist dies unerheblich, da die Gesellschaft insoweit auch nur durch Vertreter handeln kann, in deren Person die für die Erbringung der mandatsbezogenen Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Die Rechtsanwaltsgesellschaft hat daher in eigener Verantwortung zu bestimmen, durch welches Organ oder durch welchen qualifizierten Vertreter sie im konkreten Fall gegenüber dem Gericht auftritt (so bereits OLG Nürnberg MDR 2002, 1219 = NJW 2002, 3715 = Rpfleger 2002, 628 = OLGR 2002, 479 = FamRZ 2003, 106). Diese Entscheidungsbefugnis kann der Rechtsanwaltsgesellschaft nicht im Wege einer durch das Gericht ausgesprochenen Beiordnung einer Einzelperson genommen werden.

3 III. Der Praxistipp

A.A. ist das Sächsische LSG (NZS 2012, 679), das die Beiordnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft ablehnt. Daraus, dass der Gesetzgeber im Zuge der Einführung der Rechtsanwaltsgesellschaft und der Partnerschaftsgesellschaft die Vorschrift des § 121 ZPO nicht geändert habe, folge, dass eine Rechtsanwaltsgesellschaft gerade nicht beigeordnet werden könne.

AGKompakt, S. 103

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