Einführung

Auch nach Beginn eines gerichtlichen Verfahrens kann der Beklagte den Prozesskosten entgehen, wenn er den geltend gemachten Anspruch i.S.d. § 93 ZPO sofort anerkennt.

I. Keine Veranlassung zur Klageerhebung

Vorprozessuales Verhalten des Beklagten ist entscheidend

Der Beklagte darf keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben. Anlass zur Erhebung einer Klage gibt er, wenn sein Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (BGH NJW 2006, 2490). Dabei kommt es weder auf ein Verschulden des Beklagten noch auf die materielle Rechtslage an.

 

Beispiele

Der Schuldner zahlt eine fällige Forderung trotz Mahnung des Gläubigers nicht.
Der Erbe verweigert dem Pflichtteilsberechtigten die erbetene Auskunft.
Der Vater lehnt die Anerkennung der Vaterschaft ab.

Beweislast für Veranlassung zur Klageerhebung

Die Beweislast dafür, dass der Beklagte dem Kläger keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und damit die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorliegen, trägt der Beklagte (OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 1437).

 
Hinweis

Der Beklagte kann sich also nicht schlicht auf ein Bestreiten beschränken. Er muss substantiiert und unter Beweisantritt vortragen, welche Ansprüche der Kläger geltend gemacht und wie er auf diese Aufforderungen reagiert hat.

II. Anerkenntnis

Einseitige Prozesshandlung gegenüber dem Gericht

Das Anerkenntnis (§ 307 S. 1 ZPO) ist eine Prozesshandlung, durch die der Beklagte erklärt, dass er sich dem Klageanspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch unterwirft und auf Fortsetzung des Rechtsstreits in der Hauptsache verzichtet. Es wird dem Gericht gegenüber erklärt, wobei im Anwaltsprozess für diese Erklärung Anwaltszwang besteht. Einer Annahme durch den Gegner bedarf das Anerkenntnis nicht. Dieser muss noch nicht einmal anwesend sein (vgl. § 307 S. 2 ZPO).

Bei Erfüllungshandlung ist Auslegung erforderlich

Allein der Umstand, dass der Beklagte die Klageforderung vorbehaltlos erfüllt, bedeutet noch nicht zwingend ein Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO, da es an einer entsprechenden Erklärung fehlt. Ob eine solche gegebenenfalls konkludent erfolgt ist, muss im jeweiligen Fall durch Auslegung ermittelt werden.

 
Praxis-Beispiel

Nach Klagezustellung erfüllt S die Klageforderung in vollem Umfang und erklärt gegenüber dem Gericht, damit sei "die Sache doch nun aus der Welt". Aus dieser Erklärung des S ist durch Auslegung zu ermitteln, dass er auf eine Fortführung des Rechtsstreits in der Hauptsache verzichtet, sodass von einem Anerkenntnis ausgegangen werden kann.

III. Sofortiges Anerkenntnis

Erklärung innerhalb der Klageerwiderungsfrist

Vom Beklagten wird gefordert, dass er die erste sich im Prozess bietende Möglichkeit wahrnimmt, um das Anerkenntnis zu erklären. Auf der anderen Seite ist ihm jedoch eine ausreichende Prüfungsfrist zuzubilligen. Im schriftlichen Vorverfahren muss das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist (§ 276 Abs. 1 S. 2 ZPO) abgegeben werden. Gleiches gilt bei Anordnung eines frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung, wenn eine entsprechende Klageerwiderungsfrist nach § 275 Abs. 1 oder Abs. 3 ZPO gesetzt wurde.

 
Hinweis

Eine Frist von zwei bis drei Wochen dürfte in der Mehrzahl der Fälle dem Beklagten eine ausreichende Möglichkeit zur Prüfung des klägerischen Vorbringens bieten.

Verteidigungsanzeige allein ist noch unschädlich

Allein die Verteidigungsanzeige ist im Rahmen des § 93 ZPO noch unschädlich (BGH NJW 2006, 2490). Wird mit der Verteidigungsanzeige bereits der Klageabweisungsantrag angekündigt, ist für ein sofortiges Anerkenntnis kein Raum mehr. Das Anerkenntnis muss mit dem ersten Schriftsatz, mit dem zur Sache Stellung genommen wird, abgegeben werden. Wird im schriftlichen Vorverfahren in einem ersten Schriftsatz die Forderung bestritten und dann erst in einem zweiten Schriftsatz anerkannt, handelt es sich nicht mehr um ein sofortiges Anerkenntnis (OLG Celle NJW-Spezial 2009, 459 = OLGR 2009, 319).

 
Hinweis

Kommt nach Ansicht des Beklagtenanwalts ein Anerkenntnis in Betracht, so sollte er sich zunächst auf die Verteidigungsanzeige beschränken.

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