Anrechnung nur nach dem geringeren Wert der Folgesache

Ein Anrechnungsproblem kann sich wegen der unterschiedlichen Gegenstandswertberechnungen ergeben, wenn der Anwalt in einer Kindschaftssache (Umgang oder elterliche Sorge) außergerichtlich tätig war und diese dann anschließend nicht in ein isoliertes Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren übergeht, sondern als Folgesache im Verbund anhängig gemacht wird. Insoweit gilt Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV entsprechend. Angerechnet wird nur nach dem Wert der Folgesache, es sei denn, der Wert der vorgerichtlichen Tätigkeit ist ausnahmsweise geringer. Dann gilt nur der geringere Wert:

 

Beispiel

Der Anwalt war außergerichtlich hinsichtlich des Umgangsrechts tätig und hat ausgehend von dem Regelwert des § 45 Abs. 1 FamGKG i.H.v. 3.000,00 EUR eine 1,3-Geschäftsgebühr abgerechnet. Es kommt hiernach zum Scheidungsverfahren (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR). Dabei wird das Umgangsrecht als Folgesache anhängig gemacht.

Für die außergerichtliche Vertretung erhält der Anwalt aus dem Wert von 3.000,00 EUR:

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   245,70 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 265,70 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   50,48 EUR
  Gesamt   316,18 EUR

Im Gegensatz zur außergerichtlichen Vertretung und zum isolierten Verfahren über eine Kindschaftssache gilt im nachfolgenden Verbundverfahren nicht die Wertvorschrift des § 45 Abs. 1 FamGKG mit einem Regelwert von 3.000,00 EUR und der Möglichkeit der Abweichung nach § 45 Abs. 3 FamGKG. Maßgebend ist jetzt vielmehr § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG. Danach ist der Wert eines Sorge- oder Umgangsrechtsverfahrens als Folgesache mit 20 % des Wertes der Ehesache festzusetzen, mit der Möglichkeit der Herauf- oder Herabsetzung nach § 44 Abs. 3 FamGKG.

 
Hinweis

Nach § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG sind Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 1 FamFG mit 20 % des Wertes der Ehescheidung (§ 43 FamGKG) zu bewerten, wenn diese auf Antrag eines Elternteils gem. § 137 Abs. 3 FamFG im Scheidungsverbund geführt werden.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.1.2015 – 5 UF 360/14, AGS 2015, 178 = NZFam 2015, 325

Folgesache hat geringeren Wert

Im Beispiel ist der Verfahrenswert für die Folgesache Umgang also auf 1.200,00 EUR festzusetzen. Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr wird jetzt hälftig nur aus dem Wert des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, also nur, soweit sie aus 1.200,00 EUR angefallen wäre.

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   583,70 EUR
  (Wert: 8.400,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 55,25 EUR
  0,65 aus 1.200,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   538,80 EUR
  (Wert: 8.400,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.087,25 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   206,58 EUR
  Gesamt   1.293,83 EUR

Soweit die Geschäftsgebühr aus dem höheren Wert angefallen ist, bleibt sie anrechnungsfrei.

AGKompakt 6/2020, S. 63

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