Zusammenfassung

Der Anwalt erhält nach § 15 Abs. 1 RVG die Gebühren nur einmal und sie gelten seine gesamte Tätigkeit von der Auftragserteilung bis zur Erledigung der Angelegenheit ab (§ 15 Abs. 2 RVG). Welchen Einfluss hat es nun auf den Gebührenanspruch, wenn der Auftrag des Anwalts vorzeitig endet, etwa weil der Mandant zu einem anderen Anwalt wechselt oder weil der Anwalt die Zulassung aufgibt und daher den Auftrag nicht mehr zu Ende führen kann?

I. Vorzeitige Erledigung der Angelegenheit

Sonderregelung für Gebührenhöhe bei vorzeitiger Erledigung

Kann der Auftrag aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr erledigt werden, dann behält der Anwalt gemäß § 15 Abs. 4 RVG dem Grunde nach seinen Anspruch auf die bereits entstandenen Gebühren, während er natürlich keine noch nicht entstandenen Gebühren für künftige Tätigkeiten beanspruchen kann. Der Höhe nach richtet sich die Vergütung ggf. nach besonderen Regelungen im Vergütungsverzeichnis. Bei den Rahmengebühren ist das vorzeitige Ende der Tätigkeit bei Bestimmung der konkreten Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen. Für die Wertgebühren finden sich Sonderregelungen für die vorzeitige Erledigung z.B. in Nr. 3101, 3201, 3207, 3209, 3306 VV RVG.

II. Ende des Auftrags vor Erledigung

Vertragsbeendigung vor Erledigung

Wird der Anwaltsvertrag vor Erledigung der Angelegenheit einvernehmlich aufgehoben, gekündigt oder seine Erfüllung unmöglich, gilt ebenfalls zunächst § 15 Abs. 4 RVG, wonach der Anwalt die bereits entstandenen Gebühren dem Grunde nach fordern kann. In welcher Höhe ihm die Gebühren zustehen, ergibt sich daraus, auf welche Umstände das vorzeitige Ende des Auftrags zurückzuführen ist.

1. Einvernehmliche Aufhebung

Gebühren richten sich nach Aufhebungsvereinbarung

Heben Anwalt und Mandant den Vertrag einvernehmlich auf, so ist in erster Linie die Aufhebungsvereinbarung entscheidend. Enthält diese keine Regelung, können die bisher angefallenen Gebühren in voller Höhe verlangt werden.

 
Hinweis

Da sich eine solche Aufhebungsvereinbarung nur auf die bereits entstandenen Gebühren bezieht und damit die gesetzliche Vergütung nicht überschritten werden kann, ist sie nicht an die Formvorschriften des § 3a RVG gebunden.

2. Kündigung durch den Anwalt

Volle Gebühren bei berechtigter Kündigung des Anwalts

Wird der Vertrag durch den Anwalt aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Mandanten gekündigt (z.B. wegen ausbleibender Vorschusszahlung, vorsätzlicher Falschinformation, Geltendmachung unbegründeter Ansprüche gegen den Anwalt), so können die bisher angefallenen Gebühren in voller Höhe geltend gemacht werden. Als vertragswidriges Verhalten des Mandanten kommen in Betracht:

  • ausbleibende Zahlung eines Vorschusses trotz Ankündigung der Mandatsniederlegung (OLG Düsseldorf AGS 1993, 74),
  • vorsätzliche Falschinformation des Anwalts (OLG Düsseldorf AGS 1993, 74),
  • Geltendmachung unbegründeter Ansprüche gegen den Anwalt (OLG Karlsruhe AnwBl. 1994, 522),
  • unzumutbaren Forderungen, z.B. im Hinblick auf die Prozessführung (OLG Hamm AGS 1996, 16).

Liegt aber kein vertragswidriges Verhalten des Mandanten vor, kann der Vergütungsanspruch nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB insoweit nicht mehr geltend gemacht werden, als die bisherige Tätigkeit des Anwalts für den Mandanten nicht mehr von Interesse ist. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen ein zweiter Anwalt beauftragt werden muss, der das Mandat (gebührenpflichtig) zu Ende führt.

3. Kündigung durch den Mandanten

Volle Gebühren bei vertragsgemäßem Verhalten des Anwalts

Spricht der Mandant die Kündigung aus, weil sich der Anwalt vertragswidrig verhält (z.B. unzureichende Aufklärung über einen drohenden Interessenkonflikt, unberechtigte Honorarforderung, grobe Pflichtverletzung), erlischt der Vergütungsanspruch des Anwalts, soweit seine Leistung für den Mandanten nicht mehr von Interesse ist (§ 628 Abs. 1 S. 2 BGB). Darüber hinaus ist der Anwalt nach § 628 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig, wobei der Schaden insbesondere in den Kosten für die Erhebung einer aussichtslosen Klage liegen kann. In diesen Fällen kann der Anwalt überhaupt keine Vergütung verlangen. Ein vertragswidriges Verhalten des Anwalts kann z.B. sein:

  • unzureichende Aufklärung über einen drohenden Interessenkonflikt (BGH NJW 1985, 41),
  • unberechtigte Honorarforderungen (LG Karlsruhe MDR 1991, 548),
  • grobe Pflichtverletzungen (BGH NJW 1982, 437; OLG München MDR 1974, 753).

Liegt dagegen kein vertragswidriges Verhalten des Anwalts vor, so kann dieser die bereits angefallenen Gebühren verlangen. Dieser Anspruch steht ihm auch bei Beauftragung eines zweiten Anwalts zu. Darüber hinaus kann er vom Mandanten die Zahlung derjenigen Gebühren verlangen, die ohne eine Kündigung des Auftrags voraussichtlich angefallen wären (§ 628 Abs. 2 BGB).

 
Praxis-Beispiel

Am Vortag der mündlichen Verhandlung kündigt M seinem Anwalt A ohne Angabe von Gründen das Mandat. In diesem Fall kann A neben der bereits entstandenen Verfahrensgebühr auch noch die Terminsgebühr abrechnen. Denn ohne eine Kündigung des Auftrages wäre diese Gebühr nach dem Verlauf des Verfahrens bzw. der bereits erfolgten Terminierung durch das Gericht ebenfalls entstanden.

4. Unmöglichkeit

Wird die Vertragserfüllung...

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