Leitsatz

Ein Haftpflichtversicherer gibt keinen Anlass zur Klage, wenn der Schaden als solcher unstreitig ist und nach etwa drei Wochen Bearbeitung reguliert wird. Selbst bei einfachen Sachverhalten ist dem Haftpflichtversicherer eine Bearbeitungszeit von einigen Wochen einzuräumen.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.4.2010 – 3 W 15/10

1 I. Der Fall

Der Kläger hatte von dem beklagten Haftpflichtversicherer Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallgeschehen beansprucht. Mit Schreiben vom 16.11.2009 hatte er die Reparaturkosten beziffert und am 19.11.2009 die Mietwagenrechnung übersandt. Da die von ihm gesetzte Zahlungsfrist bis zum 24.11.2009 ergebnislos verstrich, hatte er am 3.12.2009 Klage erhoben. Der Beklagte hatte daraufhin am 15.12.2009 die Klageforderung im Wesentlichen bezahlt, so dass der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Hinsichtlich des Restbetrages erging ein Anerkenntnisurteil. Mit seiner Beschwerde wehrt sich der Kläger dagegen, dass ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.

2 II. Die Entscheidung

Versicherer hat keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben

Der Kläger hat in Anwendung des Rechtsgedankens von § 93 ZPO auch die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils zu tragen, da der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Ihm stand vielmehr eine Prüfungsfrist hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche zu, die bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen war. Bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen beträgt diese Prüfungsfrist vier bis sechs Wochen.

Prüfungsfrist ist auch bei einfachen Sachverhalten zuzubilligen

Zwar sind solche Regulierungsfristen nicht starr, sondern von den individuellen Umständen abhängig. Auch bei einfachen Sachverhalten ist dem Haftpflichtversicherer jedoch eine Bearbeitungszeit von einigen Wochen einzuräumen, da es sich um ein Massengeschäft handelt. In der betriebsinternen Organisation müssen personelle Schwankungen sowie die Anzahl der konkreten Regulierungsanträge berücksichtigt werden. Umgekehrt kann es dem Geschädigten zugemutet werden, mit seiner Klageerhebung eine Mindestfrist von vier Wochen ab konkreter Schadensbezifferung abzuwarten, da in der Regel die Werkstätten nicht auf sofortiger Bezahlung bestehen, wenn die Reparatur über einen Versicherer abgerechnet wird.

3 III. Der Praxistipp

Anwaltskosten sind Teil des ersatzfähigen Schadens

Auch bei klaren Unfallsituationen mit unstreitigen Haftungsverhältnissen darf der Geschädigte einen Anwalt beauftragen. Dessen Kosten sind Teil des ersatzfähigen Schadens, da die Beauftragung eine Maßnahme der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Eine Ausnahme gilt nur bei ganz einfachen Sachverhalten mit Schäden im Bagatellbereich von bis zu 500,00 EUR (vgl. BGH NJW 1995, 446).

Anwalt sollte vorschnelle Klageerhebung vermeiden

Der Anwalt muss jedoch auch bei Verkehrsunfällen mit einfachen Sachverhalten dem gegnerischen Haftpflichtversicherer eine ausreichende Prüfungsfrist einräumen. Ansonsten riskiert er im Prozess eine für seinen Mandanten nachteilige Kostenentscheidung, wenn der Versicherer unmittelbar nach Klageerhebung zahlt. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Prüfungsfrist erst beginnt, wenn dem Versicherer die konkrete Schadensbezifferung vorliegt.

Anspruch auf vorgerichtliche Kosten bleibt bestehen

Zu beachten ist, dass nur die gerichtlichen Kosten vom Kläger zu tragen sind. Die vorgerichtlichen Kosten muss der Haftpflichtversicherer auch bei verfrühter Klageerhebung ersetzen.

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