Leitsatz (amtlich)

1. Der Herausgabeanspruch an sämtlichen Unterlagen aus dem beendeten Mandatsverhältnis mit dem Steuerberater wird durch einen Anspruch auf Abgabe einer Zustimmungs-/Freigabeerklärung gegenüber der DATEV eG ersetzt bzw. ergänzt.

2. Ein mögliches Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters ergibt sich entweder aus § 66 StBerG oder § 273 BGB.

3. Dem Steuerberater steht ein Zurückbehaltungsrecht an heraus begehrten Unterlagen nicht aus anderen, nicht bezahlten Aufträge desselben Mandanten zu; die notwendige Konnexität ist restriktiv zu handhaben.

 

Tenor

  • 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Finanzbuchhaltungsdaten aus dem Rechnungswesenprogramm (...) betreffend die Klägerin für die Geschäftsjahre 2006 bis 2008 gegenüber der DATEV eG, Paumgartnerstr. 6-14, 90429 Nürnberg, dergestalt freizugeben, daß der jetzige Steuerberater der Klägerin, (...) von der DATEV eG abrufen kann.

  • 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe von 124,65 EUR durch Zahlung an die Kanzlei (...)von deren Honoraransprüchen gegen die Klägerin freizustellen.

  • 3.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • 4.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 5.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerseite gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Herausgabe von Finanzbuchhaltungsdaten, hier in Form von Freigabeerklärungen gegenüber der Datev eG.

Zwischen den Parteien bestand seit dem Jahr 2003 eine Rahmenvereinbarung, in deren Ausführung die Beklagte für die Klägerin für die Jahre 2006 bis 2008 unter anderem die Finanzbuchhaltung erstellte. Die hierfür anfallenden Steuerberaterkosten sind von Klägerseite vollständig und fristgerecht gezahlt.

Zwischenzeitlich wird die Finanzbuchhaltung der Klägerin nicht mehr von der Beklagten, sondern von der Steuerberatungsgesellschaft (...) geführt. Die Beklagte verweigert die Herausgabe der entsprechenden Daten, verweigert eine entsprechende Freigabeerklärung gegenüber der DATEV eG.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei zu einer derartigen Verweigerung nicht berechtigt. Sie habe die für die Finanzbuchhaltung anfallenden Kosten ordnungsgemäß gezahlt, weshalb sie einen Anspruch darauf habe, auf diese Daten Zugriff nehmen zu können.

Weitere Aufträge, insbesondere eine Zwischenbilanz auf den 29. Februar 2008 bzw. ein Jahresabschluß für das Jahr 2008, seien von ihr gegenüber der Beklagten nicht beauftragt worden, weshalb hier auch keine Zahlungsansprüche bestünden.

Die Klägerin beantragt,

  • 1.

    die Beklagte zu verurteilen, die Finanzbuchhaltungsdaten aus dem Rechnungswesenprogramm (...) betreffend die Klägerin für die Geschäftsjahre 2006 bis 2008 gegenüber der Datev eG, Paumgartnerstr. 6-14, 90429 Nürnberg, dergestalt freizugeben, daß der jetzige Steuerberater der Klägerin, (...) von der Datev eG abrufen kann,

  • 2.

    die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in Höhe von 124,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit durch Zahlung an die Kanzlei (...) von deren Honoraransprüchen gegen die Klägerin freizustellen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie trägt vor, sie sei von Klägerseite beauftragt worden, den Jahresabschluß 2008 und einen Zwischenabschluß auf den 29.02.2008 zu erstellen. Die hierfür abgerechneten Leistungen gemäß Rechnungen über 2.875,04 EUR bzw. 797,54 EUR seien von Klägerseite nicht bezahlt worden, weshalb ihr ein Zurückbehaltungsrecht auch an den bereits bezahlten Buchhaltungsunterlagen zustehe.

Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 14.10.2010. Auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 119 ff.) wird hingewiesen.

Bezug wird genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet, der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf eine Freigabeerklärung gegenüber der Datev eG bezüglich der Finanzbuchhaltungsdaten für die Geschäftsjahre 2006 bis 2008 zu, §§ 667, 675, 611 BGB.

Die Beklagte ist nach Beendigung des Mandats verpflichtet, sämtliche Unterlagen einschließlich der im Rechenzentrum gespeicherten Daten an die Klägerin herauszugeben (vgl. LG Hannover, DStRE 2009, 1416 ff.). Dieser Herausgabeanspruch wird durch entsprechende Zustimmungserklärungen / Freigabeerklärungen gegenüber der datenführenden Stelle, hier gegenüber der DATEV eG ersetzt bzw. ergänzt (Olbing / Wollweber, Das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters, DStR 2009, 2700 ff.).

Vorliegend ist von einer Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien auszugehen, die Klägerin hat mit der Lohnbuchhaltung ein anderes Steuerberatungsbüro beauftragt, sie verlangt entsprechende Daten bei der Beklagten heraus. Sie hat gleichzeitig spätestens mit Schreiben vom 28.04.2010 (aber nach dem Wortlaut des Schreibens bereits deutlich früher) deutlich gemacht, dass sie...

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