Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der pflichtwidrigen Nichtabhilfe einer Vollstreckungserinnerung durch den Rechtspfleger. Erinnerung. Abhilfe. Bestimmung des zuständigen Rechtspflegers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Entscheidung über die Abhilfe nach § 766 ZPO, § 89 InsO ist der Rechtspfleger des Erlassgerichts als Vollstreckungsgericht berufen.

2. Trifft dieser (pflichtwidrig) keine Abhilfeentscheidung, ist das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht in funktionaler Zuständigkeit des Richters berechtigt, aber nicht verpflichtet, unmittelbar über die Erinnerung zu entscheiden. Will das Insolvenzgericht eine Abhilfeentscheidung des Rechtspflegers herbeiführen, kann es gleichzeitig den zuständigen Rechtspfleger mit bindender Wirkung bestimmen.

 

Normenkette

RpflG § 8 Abs. 1; InsO § 89; ZPO § 766

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 06.05.2004; Aktenzeichen IX ZB 104/04)

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Insolvenzverwalters vom 06.09.2010 wird die Vollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 19.07.2010, 61 M 1462/10 – L ./. L. – für unzulässig erklärt und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben.

Der Antrag auf seinen Erlass wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Schuldnerin auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Am 17.06.2010 ist über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Amtsgericht Köln, 73 IN 206/10). Die Veröffentlichung des Beschlusses ist am 24.06.2010 erfolgt.

Mit am 17.07.2010 eingegangen Schriftsatz hat die Gläubigerin beim Amtsgericht Gummersbach den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses betreffend zweier Lebensversicherungen des Schuldners wegen titulierter Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 01.04.2010 bis zum 08.07.2010 in Höhe von 1.764,00 EUR und wegen sodann laufenden Unterhalts in Höhe von 588 EUR monatlich, zahlbar jeweils zum 10. eines Monats, zuzüglich entstandener Kosten in Höhe von insgesamt 188,87 EUR, beantragt. Mit Datum vom 19.07.2010 hat das Amtsgericht Gummersbach den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss antragsgemäß erlassen.

Mit Schriftsatz vom 06.09.2010 hat der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – Köln gemäß § 766 ZPO Erinnerung mit dem Antrag eingelegt,

die Vollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 19.07.2010, 61 M 1462/10 L. ./. L. für unzulässig zu erklären und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben.

Die übrigen Beteiligten haben im Erinnerungsverfahren keine Anträge gestellt.

Das Amtsgericht Köln hat mit Verfügung vom 16.09.2010 die Erinnerung an das Amtsgericht Gummersbach mit der Bitte um Erlass einer Abhilfeentscheidung übersandt.

Das Amtsgericht Gummersbach – Rechtspfleger – hat eine Abhilfeentscheidung nicht getroffen, sondern sich durch Beschluss vom 25.10.2010 für unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Köln verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Köln in funktionaler Zuständigkeit des Richters ist zur Entscheidung berufen.

Dies gilt, obgleich der zur Entscheidung im Abhilfeverfahren zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts Gummersbach in der Sache eine Entscheidung nicht getroffen hat.

Über Erinnerungen gemäß § 766 ZPO entscheidet gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO wegen der größeren Sachnähe das Insolvenzgericht in funktionaler Zuständigkeit des Richters (Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage 2010, § 89 Rdn. 43). § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO enthält insoweit eine besondere Zuständigkeitsregelung. Da die Angelegenheit eine vollstreckungsrechtliche bleibt, entscheidet das Insolvenzgericht gleichwohl funktional als Vollstreckungsgericht (BGH NZI 2004, 278 und NZI 2004, 447 [BGH 06.05.2004 – IX ZB 104/04]; Prütting/Gehrlein: ZPO Kommentar, 2. Auflage 2010, § 766 Rdn. 14).

Vor einer Entscheidung des Richters ist im Verfahren gemäß § 766 ZPO der zuständige Rechtspfleger berufen, über eine Abhilfe zu entscheiden. Diese Pflicht oblag vorliegend dem Rechtspfleger des Amtsgerichts Gummersbach als zuständigem Vollstreckungsrechtspfleger.

Aus der Rechtsnatur der Angelegenheit als vollstreckungsrechtliche folgt, dass vor einer Entscheidung des Insolvenzgerichts – Richter – der Rechtspfleger am Vollstreckungsgericht, nicht der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts, über die Erinnerung im Wege der Abhilfe zu entscheiden hat. Dies folgt aus der ratio des Abhilfeverfahrens, das eine Selbstkontrolle und Selbstkorrektur ermöglichen soll.

Es kann dahin stehen, ob der Beschluss des Rechtspflegers vom 25.10.2010, mit dem er sich für unzuständig erklärt hat, das Amtsgericht Köln bindet. Hiergegen spricht nicht nur die objektive Willkür des Beschlusses – der Rechtspfleger hat sich mit der Frage, ob er für die Abhilfeentscheidung funktional zuständig ist, nicht erkennbar befasst-, sondern auch § 7 RPflG. Aus diesem dürfte sich im Falle einer Zuständigkeitskonzentration gemäß § 2 Abs. 1 InsO die Annexkompetenz des Richters ergeben, im Streitfall den für die Abhilfeentscheidung zuständigen Rechtsp...

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