Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrag einer privaten Krankenversicherung mit seinen Rechten und Pflichten gehört nicht zur Insolvenzmasse. Anspruch auf Versicherungsprämie aus einer privaten Krankenversicherung auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der Krankenversicherung

 

Normenkette

InsO § 35 Abs. 1, § 103

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 04.07.2007; Aktenzeichen VII ZB 68/06)

BGH (Entscheidung vom 28.04.1988; Aktenzeichen IX ZR 127/87)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 723,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf EUR 177,44 seit dem 02.10.2010, auf weitere EUR 177,44 seit dem 02.11.2010, auf weitere EUR 177,44 seit dem 02.12.2010 sowie auf weitere EUR seit dem 02.01.2011 sowie EUR 23,40 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 13% und der Beklagte zu 87%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Krankenversicherer. Sie macht Prämienansprüche gegen den Beklagten geltend.

Am 18.08.2008 richtete der Beklagte an die Klägerin ein als „Antrag auf Krankenversicherung und Pflegepflichtversicherung” bezeichnetes Schreiben (Anlage K1).

Am 26.08.2008 erteilte die Klägerin dem Beklagten einen Versicherungsschein mit Beginn 01.01.2009 (Anlage K2). Der monatliche Beitrag ist dort mit EUR 177,44 ausgewiesen. Ein Nachtrag zum Versicherungsschein der Klägerin vom 23.11.2010 bezeichnet den monatlichen Beitrag auf EUR 191,30 (Anlage K 4).

Über das Vermögen des Beklagten wurde am 01.01.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Kiel, Az.: 25 IN 278/08).

Der Beklagte hat die Beiträge von dreimal EUR 177,44 für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 sowie von einmal EUR 191,30 für Januar 2011 nicht entrichtet.

Die Klägerin meint, dass § 103 InsO auf das Krankenversicherungsvertragsverhältnis nicht zur Anwendung käme. Auf die Ausführungen unter Nr. 3 des klägerischen Schriftsatzes vom 28.09.2011 wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 732,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.10.2010 sowie EUR 15,- vorgerichtliche Mahnkosten und EUR 120,67 Verzugsschaden zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

I.) Zur Klageforderung

Die Klage ist in der Hauptforderung begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsprämien für den Zeitraum Oktober 2010 bis Januar 2011 in Höhe von dreimal EUR 177,44 und einmal in Höhe von EUR 191,30 aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankenversicherungsvertrag, wie sie ihn ausweislich des Versicherungsscheins Anlage K2 geschlossen und ausweislich des Versicherungsscheins Anlage K4 geändert haben.

Der Anspruch der Klägerin hat mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten vom 01.01.2009 nicht seine Durchsetzbarkeit verloren.

In der entscheidungserheblichen Vorschrift § 103 InsO (Wahlrecht des Insolvenzverwalters) heißt es:

„(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.

(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.

In der Schwebephase, in der der Insolvenzverwalter weder die Erfüllung verlangt noch ablehnt und der anderer Teil den Insolvenzverwalter auch nicht zu einer Erklärung auffordert, ist Rechtsfolge, dass Erfüllungsansprüche des anderen Teils nicht durchsetzbar sind.

Eine Rechtsfolge fehlender Durchsetzbarkeit ergäbe sich allerdings aus § 103 InsO (vgl. Andres in: Andres/Leithaus, 2. Aufl., § 103 InsO, Rn. 3). Einer Einrede bedarf es insoweit nicht.

Für einen privaten Krankenversicherungsvertrag mit dem Inhalt einer Krankenkostenvollerstattung greift § 103 InsO indes nicht. Denn bei diesem Vertrag handelt es sich um ein insolvenzfreies Schuldverhältnis, weil er einen Gegenstand entsprechend § 36 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 850b Abs. 1 Nr. 4 InsO zum Gegenstand hat. Im einzelnen:

Soweit ersichtlich war diese Frage noch nicht Gegenstand der veröffentlichten Rechtsprechung. Die veröffentlichte Rechtsprechung fokussierte sich primär auf Kautionsversicherungen und Lebensversicherungen, gelegentlich auch auf Haftpflichtversicherungen und Rechtsschutzversicherungen. In der Literatur wird die Anwendung des § 103 InsO auf Versicherungsverträge befürwortet (so z.B.: Huber in: MüKo, 2. Aufl., § 103 InsO, Rn. 118; Kroth in: Braun, 4. Aufl., § 103...

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