Leitsatz (amtlich)

›1. Der Schuldner ist verpflichtet, nach Antragstellung, aber vor Eröffnung begründete Forderungen unverzüglich dem Sachverständigen/Insolvenzverwalter mitzuteilen; ansonsten ist der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfüllt.

2. Verschweigt der Schuldner eine im laufenden Eröffnungsverfahren begründete Forderung, ist damit die im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu berücksichtigende Wesentlichkeitsgrenze auch dann überschritten, wenn es sich um eine geringfügige Forderung (hier: 116,40 EUR) handelt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner außergewöhnliche Umstände darlegt und ggf. glaubhaft macht.‹

 

Gründe

I. Mit Antrag vom 23.09.2004 hat der Schuldner Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. Seinen Lebensunterhalt bestritt der Schuldner aus Gelegenheitsjobs; Angaben zur Höhe der Einnahmen machte der Schuldner nicht. Das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis weist sieben Gläubiger auf mit Forderungen zwischen ca. 1.000 EUR und ca. 25.000 EUR, die Forderungssumme beläuft sich auf ca. 100.000 EUR aus. Das Schlussverzeichnis vom 16.11.2005 weist zehn Gläubiger mit einem Gesamtforderungsbetrag von über 240.000 EUR aus. Aufgrund des Sachverständigengutachtens vom 15.11.2004 ist das Verfahren am 18.11.2004 unter Bewilligung von Stundung eröffnet worden. Mit Beschluss vom 10.10.2005 hat der Rechtspfleger die Durchführung des schriftlichen Verfahrens angeordnet und u. a. zur Erhebung von Einwendungen gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung eine Frist bis zum 16.12.2005 gesetzt.

Fristgemäß hat die versagungsantragstellende Gläubigerin, eine Weinkellerei, beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Sie beruft sich darauf, dass der Schuldner am 02.11.2004 12 Flaschen Wein für einen Gesamtpreis von 116,40 EUR bestellte, wie in der Rechnung vom 15.11.2004 ausgewiesen. Die Forderung ist inzwischen durch Vollstreckungsbescheid vom 13.07.2005 tituliert. Zur Tabelle ist die Forderung nicht angemeldet, da die versagungsantragstellende Gläubigerin nach ihren Angaben über das Verfahren nicht informiert war. Die Gläubigerin beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der Bestellung gewusst habe, dass er zur Zahlung des Weines nicht im Stande sei und es versäumt habe, sie als Gläubigerin anzugeben.

Der Schuldner hat zu dem Antrag keine Stellungnahme abgegeben.

II. Die Restschuldbefreiung ist zu versagen.

1) Der Schuldner hat die ihm während des Insolvenzverfahrens obliegenden Auskunftspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

a) Der Schuldner stellte am 28.09.2004 Insolvenzantrag, am 01.11.2004 gab er die Bestellung auf, unter dem 15.11.2004 erstattete der Treuhänder sein Gutachten, das Verfahren wurde am 18.11.2004 eröffnet.

Von der vom Schuldner beantragten Restschuldbefreiung werden alle Forderungen erfasst, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Darunter fällt auch die Forderung der Gläubigerin. Diese ist während des Eröffnungsverfahrens begründet worden. Auch wenn es sich um eine geringfügige Forderung handelt, war der Schuldner verpflichtet, sie dem Sachverständigen bzw. Insolvenzverwalter mitzuteilen.

b) Gegen diese Verpflichtung hat der Schuldner zumindestens grob fahrlässig verstoßen. Der Schuldner bestritt nach den Angaben im Eröffnungsantrag seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs. Ausweislich des Gutachtens vom 15.11.2004 begann der Schuldner am 17. September eine Bedarfstätigkeit bei einer Bedachungsfirma und erzielte im ersten Monat ein Nettoeinkommen von 380 EUR. Der Schuldner hätte sich zumindestens beim Sachverständigen bzw. nach Eröffnung beim Insolvenzverwalter erkundigen müssen, ob er diese nach Antragstellung begründete Forderung angeben musste, damit die Gläubigerin über das Insolvenzverfahren informiert werden konnte. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von den Fällen, in denen der Schuldner eine geringfügige, seit Jahren nicht mehr geltend gemachte Forderung nicht angibt (LG Berlin ZInsO 2004, 1264 = ZVI 2005,96; AG Göttingen ZInsO 2005, 1001; FK-InsO/Ahrens 4. Aufl. 2006, § 290 Rz. 55).

c) Auszugehen ist auch von einer erheblichen Pflichtverletzung des Schuldners. Erforderlich ist im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO, dass der Schuldner die so genannte Wesentlichkeitsgrenze überschreitet. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, dass nicht jede noch so geringfügige Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten eine Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben kann (BGH ZInsO 2004, 920 und ZInsO 2005, 146; FK-InsO/Ahrens 4. Aufl. 2006, § 290 Rz. 47; MünchKomm-InsO/Stephan § 290 Rz. 74). Ein Verschweigen von ganz unwesentlichen Vermögenswerten ist unschädlich. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Nichtangabe einer Beteiligung von 409,03 EUR an einer gemeinnützigen Baugenossenschaft. Abhängig ist das Ergebnis immer von den Umständen des Einzelfalles, wobei die Ausstrahlung eines möglicherweise unwesentlichen...

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