Tenor

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden den Parteien jeweils zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Es wird im wesentlichen auf den Tatbestand des Teilurteils vom 10.11.2006 Bezug genommen, insbesondere zu der hier noch streitigen Frage, inwieweit die mit Einwurfeinschreiben übersandte Kündigung vom 02.01.2006 dem Kläger am 04.01.2006 zugegangen ist und das Mietverhältnis dadurch zum Ablauf des Monats März 2006 beendigt hat.

 

Entscheidungsgründe

Der hier noch zur Entscheidung anstehende Teil der Klage auf Zahlung des Mietzinses für die Monate April und Mai 2006 ist in der Sache nicht erfolgreich.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Mietzinsanspruch in Höhe von 920,70 EUR nicht gemäß § 535 Abs. 2 BGB gegenüber den Beklagten zu, da das Mietverhältnis infolge der beklagtenseitiges erklärten Kündigung zum Ende des Monats März 2006 seine Beendigung fand.

Gemäß § 573c Abs. 1 S. 1 BGB (in Verbindung mit § 2 Nr. 1, 4 des Mietvertrages) musste die Kündigung dem Kläger spätestens am dritten Werktag des Kalendermonats für die Beendigung des Mietverhältnisses zum Ablauf des übernächsten Monats zugehen. Dementsprechend ist das Mietverhältnis durch das Kündigungsschreiben vom 02.01.2006 zum 31.03.2006 beendet worden.

Die Beklagten haben diese Kündigung noch rechtzeitig, nämlich am 04.01.2006, mit Einwurfeinschreiben an den Kläger übermittelt. Es ist insoweit unstreitig, dass Ein- und Auslieferungsbeleg übereinstimmen sowie darüber hinausgehend der Auslieferungsbeleg das vorgenannte Datum aufweist; das Kündigungsschreiben ist infolgedessen gemäß § 130 Abs. 1 BGB dergestalt in den Machtbereich des Klägers gelangt, dass unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen war (vgl. Palandt-Heinrichs, 65. Aufl., Rdnr. 5. zu § 130 BGB m.w.N.).

Zugunsten der Beklagten greift insoweit nämlich der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang der Kündigung ein; diesen Anscheinsbeweis hat der Kläger in dem nachgelassenen Schriftsatz weder durch weitergehenden Vortrag noch durch entsprechenden Beweisantritt entkräften können.

Im einzelnen: In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob bei feststehender ordnungsgemäßer Aufgabe von Briefen und Einschreiben zur Post eine Zugangsvermutung zugunsten des Absenders angenommen werden kann.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und h.M. wird bei einfachen Briefsendungen und Einschreiben ein solcher Anscheinsbeweis verneint (vgl. grundlegend BGHZ Bd. 24, S. 312 ff. (Einschreibesendungen); BGH VersR 1978, S. 671 (Briefsendungen); Baumgärtel-Laumen, Handbuch der Beweislast, Bd. I., 2. Aufl., Rdnr. 2 ff. zu § 130 BGB m.w.N. zum Meinungsstand; a.A. z.B. Schneider MDR 1984, S. 281 ff.; Jänich VersR 1999, S. 535, 537). Die vorgenannte Auffassung wird zum einen damit begründet, dass nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch unter normalen Postverhältnissen abgeschickte Briefe und sogar Einschreiben immer wieder den Empfänger nicht erreichen würden. Zum anderen widerspreche ein Beweis des ersten Anscheins für den Zugang allein aufgrund Aufgabe zur Post der klaren Regelung und Risikoverteilung in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB; bei Zulassung eines Anscheinsbeweises könne der Empfänger den Beweis der negativen Tatsache (fehlender Zugang) nicht führen (BGH a.a.O.).

Diesen Ansatz hält das erkennende Gericht für fraglich. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Anscheinsbeweis erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den (vermuteten) Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines bestimmten Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern allein aufgrund von Erfahrungssätzen. Der zugrunde liegende Vorgang muss zu jenen gehören, die bereits auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen (vgl. beispielsweise BGH VersR 1991, S. 195 f. sowie Zöller-Greger, 25. Aufl., Rdnr. 29 vor § 284 ZPO).

Diese zuvor beschriebene so genannte Typizität als Grundlage des Rückschlusses auf einen Zugang ist nach Ansicht des Gerichts infolge von Erfahrungswerten begründbar, denn nach den statistischen Erhebungen sind die Verlustquoten bzw. Fehlzustellungen im Promillebereich anzusiedeln (0,000633 % im Jahr 1980 gemäß Schneider MDR 1984, S. 282). Die in der eingangs zitierten Entscheidung vom Bundesgerichtshof (Bd. 24, S. 312 ff.) aufgeführten Verlustzahlen liegen in einem ähnlich marginalen Bereich. Legt man diese Werte zugrunde – die sich aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Privatisierung und zunehmenden Wettbewerbsdrucks durch Marktliberalisierung zumindest nicht wesentlich verschlechtert haben dürften –, folgt daraus nach Ansicht des Gerichts durchaus der Erfahrungssatz, dass eine ordnungsgemäß zur Post gegebene Sendung grundsätzlich auch ankommt, mit der wei...

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