Leitsatz (amtlich)

1. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein deutsches Gericht erfasst nach deutschem Recht das gesamte in- und ausländische Vermögen des Schuldners, sofern nicht ausnahmsweise ein auf Inlandsvermögen beschränktes Partikularinsolvenzverfahren stattfindet.

2. Diese Auslandswirkung der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens wird auf Grund der EuIns VO (Art. 16, 17) in allen EU-Mitgliedsstaaten ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. Damit unterliegt das gesamte schuldnerische Vermögen in der europäischen Union dem Insolvenzbeschlag nach deutschem Recht. Auch das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse (§ 89 InsO) gilt unmittelbar.

3. Vermögensgegenstände, die durch Verschmelzung auf den Schuldner übergegangen sind, gehören auch dann zur Insolvenzmasse, wenn sie dem äußeren Anschein nach, etwa durch Weiterverwendung der bisherigen Firma oder durch nicht berichtigte Eintragungen in öffentlichen Registern, noch immer dem Vermögen des erloschenen übertragenden Rechtsträgers zugeordnet werden.

 

Gründe

I.

Die Schuldnerin, eine Gesellschaft des damaligen B.-Konzerns, übernahm im Frühjahr 2002 auf Grund eines Verschmelzungsvertrags v. 13.3.2002 das Vermögen der N. GmbH als Ganzes. Die Verschmelzung wurde am 14.6.2002 durch Eintragung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft wirksam (§§ 19 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die übertragende N. GmbH unterhielt in Kifissia, Griechenland, eine Niederlassung, die, wie die Beschwerdeführerin behauptet, nach der Verschmelzung von der Schuldnerin unter der alten Bezeichnung mit einem Niederlassungszusatz fortgeführt wird. Außerdem besitzt die Schuldnerin nach Angaben der Beschwerdeführerin Vermögen in der griechischen Megalopolis.

Am 1.9.2002 hat das AG Duisburg auf Antrag der Schuldnerin über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, die Eigenverwaltung angeordnet und Rechtsanwalt Dr. S. zum Sachwalter ernannt. Der Eröffnungsbeschluss wurde am 5.9.2002 der Schuldnerin zugestellt sowie am 3.9.2002 im Internet (www.insolvenzen.nrw.de) und am 13.9.2002 in Nr. 172 des Bundesanzeigers öffentlich bekanntgemacht. Am 22.11.2002 hat die erste Gläubigerversammlung stattgefunden.

Die Beschwerdeführerin ist eine KG griechischen Rechts. Sie hat mit einem am 8.12.2002 bei Gericht eingegangenen Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten "Beschwerde" gegen den Eröffnungsbeschluss eingelegt, "soweit dieser die Insolvenz der Fa. N. GmbH mit umfasst". Sie beantragt, den Eröffnungsbeschluss abzuändern und festzustellen, dass (a) der Eröffnungsbeschluss v. 1.9.2002 seine Wirkungen nur in Deutschland und nur für das hier befindliche Schuldnervermögen entfalte und (b) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf das in Griechenland befindliche Vermögen der N. GmbH unzulässig sei.

Sie behauptet, aus der Vermittlung von Arbeitskräften stünden ihr gegen die N. GmbH Forderungen von mind. 260.107 EUR zu. Da diese Gesellschaft, die in Griechenland weiterhin geschäftlich tätig sei, die Forderungen unter Hinweis auf das in Deutschland über das Vermögen der Schuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren nicht erfülle, beabsichtige die Beschwerdeführerin, bei den griechischen Gerichten Sicherungsmaßnahmen in das dort befindliche Vermögen der N. GmbH zu beantragen. Sie ist der Ansicht, die Wirkungen des vorläufigen Insolvenzverfahrens erstreckten sich nicht auf das Vermögen der Schuldnerin in Griechenland. Eine solche Wirkung könne nur im Rahmen eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates der Europäischen Union v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuIns VO) eintreten.

II.

Trotz ihres Wortlauts ist die Eingabe der Beschwerdeführerin nicht als sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss i.S.d. §§ 34 Abs. 2, 6 InsO zu werten. Ziel einer solchen Beschwerde könnte nur die Aufhebung des gesamten Eröffnungsbeschlusses sein. Hierauf zielt die Eingabe jedoch ersichtlich nicht ab. Zudem wäre die Eingabe als sofortige Beschwerde offensichtlich unzulässig, weil nach §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 2 InsO allein dem Schuldner die Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss zusteht und auch die zweiwöchige Beschwerdefrist bei Einlegung des Rechtsmittels seit mehr als zwei Monaten abgelaufen war (§§ 569 Abs. 1 ZPO, 4, 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 InsO).

Der Sache nach strebt die Beschwerdeführerin eine gerichtliche Entscheidung über den räumlichen und sachlichen Geltungsbereich des Eröffnungsbeschlusses v. 1.9.2002 an. Es geht ihr nicht um die Zuordnung bestimmter einzelner Vermögensgegenstände zur Insolvenzmasse, sondern um eine allgemeine Feststellung über die rechtliche Tragweite des Eröffnungsbeschlusses. Ob ein solches Rechtsschutzbegehren im Rahmen einer zivilgerichtlichen Feststellungsklage zulässig wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Im vorliegenden Fall erscheint schon aus Gründen der Sachnähe eine Entscheidung des Insolvenzgerichts geboten.

III.

Der Antrag der Beschwerdeführerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Wirkung...

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