Leitsatz (amtlich)

Ein Polizist hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Körperverletzung, wenn er sich infolge der Anwendung unmittelbaren Zwanges selbst verletzt (hier: Faustschlag in das Gesicht, Tritte gegen Kopf und Genitalien des Betroffenen).

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts scheidet aus, wenn der Polizist von dem Betroffenen im Zuge der Eingriffsmaßnahme nicht als individuelle Person herabgewürdigt wird.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht Schmerzensgeldansprüche wegen Körperverletzung und Beleidigung geltend.

Der Kläger ist Polizeibeamter in Bremen. Am 29.10.2017 kam es gegen 5:00 Uhr vor dem Club „S…” auf der sogenannten Bremer Diskomeile zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien.

Der Kläger trägt vor, dass er und seine Kollegin vom Sicherheitspersonal des S… um Hilfe gebeten worden sei, weil der Beklagte in der Diskothek einem anderen Gast die Nase gebrochen habe. Im Rahmen der Personenkontrolle habe sich der Beklagte sehr aggressiv verhalten und angegeben, keine Papiere bei sich zu führen. Anschließend habe er den Kläger und dessen Kollegin beleidigt und bedroht. Nach dem Eintreffen weiterer Kollegen sei beschlossen worden, den Beklagten, der die Statur eines 195cm großen Bodybuilders gehabt habe, zur Wache zu verbringen. Der Beklagte sei sodann bedrohlich auf den Kläger zugekommen. Bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs habe der Kläger „Kniestöße” einsetzen müssen. Hierbei habe er sich das rechte Knie geprellt, was neben dem Schmerzensgeld für die Beleidigung ein weiteres Schmerzensgeld von wenigstens 500 EUR rechtfertige.

Der Kläger beantragt,

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 600,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 11.3.2018 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Anspruch des Klägers aus dem Klageantrag Ziff. 1. Aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass seine Personalien durch den überlassenen Führerschein bekannt gewesen seien. Die Verbringung zur Wache sei daher nicht erforderlich gewesen. Der Beklagte sei von der Polizei auf dem Boden liegend geschlagen worden, der gesamte Einsatz nicht rechtmäßig gewesen.

Das Gericht hat den Kläger im Termin vom 31.08.2018 persönlich angehört und sodann einen Hinweis erteilt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bereits nach dem Klägervortrag unschlüssig und also unbegründet; es besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 600,00 EUR aus §§ 823, 253 II BGB.

Wegen der Prellung des Knies steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung von 500,00 EUR zu. Der im Termin ausführlich angehörte Kläger räumte ein, dass dem Beklagten vor der beabsichtigten Fixierung „12” Beamte gegenüberstanden. Er habe den auf ihn zukommenden Beklagten sodann in einer Situation, welche der Kläger als bedrohlich empfand, „einen Faustschlag ins Gesicht versetzt”, dann „mit dem rechten Knie einen Stoß in den Oberkörper versetzen wollen” und auch „irgendwas getroffen, entweder den Oberkopf oder die Schulter”. Sodann habe der Kläger dem Beklagten „einen Tritt frontal in die Genitalien” versetzt.

Der Kläger hat sich seine Knieprellung, für die ihm nach eigener Aussage „keine Arbeitsunfähigkeit” bescheinigt wurde, also im Zuge der Anwendung unmittelbarer Gewalt selbst zugezogen.

Unabhängig von der Frage, ob der Kläger in Notwehr handelte (§ 227 BGB) bzw. die Körperverletzungshandlungen des Beamten vom Bremer Polizeirecht gedeckt waren, scheidet ein Schmerzensgeldanspruch aus. Denn die massiven Verletzungshandlungen des Klägers wurden bei wertender Betrachtung durch den Beklagten nicht zurechenbar herausgefordert (für vergleichbaren Sachverhalt: OLG Bremen, NJW-RR 2000,171; vgl. allgemein: Palandt, 77. A., Vorbm v § 249, Rn. 41). Selbst wenn der Beklagte tatsächlich ungewöhnlich kräftig und aufgebracht gewesen sein sollte, hätte die vom Kläger geschilderte Notwehrsituation gar nicht erst entstehen dürfen. Denn die Polizei war mit 12 Beamten vor Ort und hatte den Beklagten zuvor bereits seit einer „halben Stunde” umkreist. Zudem soll das Schmerzensgeld auch eine Genugtuungsfunktion erfüllen (Palandt, 77. A., § 253, Rn. 4), die vorliegend abwegig erscheint. Unabhängig von der Frage der Rechtswidrigkeit der vom Kläger begangenen Körperverletzungshandlungen, kann dieser zumindest keine immaterielle Entschädigung verlangen, weil er sich beim Treten und Schlagen des in Gewahrsam zu Nehmenden selbst verletzte. Im Übrigen bewer...

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