Leitsatz

Teils gültige, teils ungültige Mehrheitsbeschlussfassung zur Änderung des vereinbarten Verteilungsschlüssels für Betriebskosten (hier: Anschlusskosten des Breitbandkabels, Aufzugskosten, Hausreinigungskosten)

 

Normenkette

§ 16 Abs. 3 WEG n.F.

 

Kommentar

  1. In der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung von 1971 war vereinbart, dass "für die Verteilung der Nutzungen, Lasten und Kosten des Gemeinschaftseigentums die Miteigentumsanteile (MEA) maßgebend sein sollen". Im Anschluss an die WEG-Novelle beschloss die Gemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 14.3.2008 mehrheitlich die Anwendung folgender Verteilungsschlüssel für die Zukunft:

    a) Breitbandkabel: gleichmäßig pro Einheit;
    b) Betriebskosten der Aufzüge: nach sog. "Aufzugspunkten";
    c) Hauswart/Hausreinigung: gleichmäßig pro Einheit”

    Während das Amtsgericht die Beschlussanfechtungsklage vollständig zurückwies, bestätigte das Landgericht (Berufungskammer) die Anfechtungszurückweisung zu den Eigentümerbeschlüssen a) und b), erklärte allerdings den Eigentümerbeschluss zu c) für ungültig (hinsichtlich der Kostenverteilungsänderung von Hausreinigungskosten).

  2. Nach § 16 Abs. 3 WEG n. F. können Eigentümer mehrheitlich über den Umlageschlüssel für Betriebskosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums beschließen, soweit dies ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Von einer Abänderung des Umlageschlüssels ist damit dann auszugehen, wenn einzelne Miteigentümer gegenüber dem früheren Zustand nicht unbillig benachteiligt werden und sich die Mehrheit nicht über schutzwürdige Belange der Minderheit hinwegsetzt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass jede Änderung bei irgendeinem der Beteiligten zu einer Mehrbelastung führt, sodass der durch das Gesetz eröffnete Korridor für denkbare, ordnungsgemäße Umlageschlüssel erst dann verlassen wird, wenn ein neu beschlossener Schlüssel zu einer erheblichen Mehrbelastung einzelner Wohnungseigentümer führt (vgl. Becker in Bärmann, 10. Auflage § 16 Rn. 96). Insoweit ist darüber hinaus in der Literatur umstritten, ob es eines sachlichen Grundes für eine Schlüsseländerung bedarf (so die Gesetzesbegründung, vgl. NZM 2006, 401/413). Nach Auffassung der Kammer kann im Regelfall nicht die positive Feststellung eines sachlichen Grundes gefordert werden, da dies die Entscheidungsbefugnis der Mehrheit entgegen der Neuregelung in § 16 Abs. 3 WEG unnötig erschweren würde. Im Übrigen wäre auch das Erfordernis eines sachlichen Grundes letztlich auf den Kern einer Willkürkontrolle beschränkt, wie sich dies dem Wortlaut der vorerwähnten Gesetzesbegründung entnehmen lässt.

    Wird im Übrigen zu einem sachlichen Grund für die Änderung durch die Parteien nichts vorgetragen und ist ein solcher auch nicht ersichtlich, oder ist der konkret gewählte Schlüssel in der Praxis nicht anerkannt, so stellt dies in jedem Fall ein durchaus gewichtiges Indiz dafür dar, dass die getroffene Regelung willkürlich sein könnte.

  3. Was den Verteilungsänderungsbeschluss zu c) (Hausmeister/Hausreinigung, nunmehr "pro Einheit") betrifft, wurde dieser Beschluss für ungültig erklärt, da er nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Solche Reinigungskosten sind keine Betriebs-, sondern Instandhaltungskosten (KG WuM 1993, 562). Für sie als Kosten der laufenden Instandhaltung gilt gleichwohl § 16 Abs. 3 WEG und nicht § 16 Abs. 4 WEG (vgl. Becker in Bärmann, 10. Auflage, § 16 Rn. 113). Insoweit kann keine verbrauchs- oder nutzungsabhängige Erfassung in Betracht kommen, weshalb diese Kostenposition grundsätzlich nach wie vor nach vereinbarten Miteigentumsanteilen umzulegen ist (vgl. auch Greiner, Wohnungseigentumsrecht, Rn. 89). Die Schlüsseländerung würde den Kläger um 35 % höher belasten als gegenüber früheren Abrechnungen nach ME-Anteilen. Dies ist nicht zu rechtfertigen, zumal auch der Verwalter insoweit keinen tragfähigen Grund benennen konnte, sondern vielmehr vor der Beschlussfassung der Versammlung von einer solchen Änderung des Verteilungsschlüssels abgeraten hat. Die Änderung stellt sich hier sogar als willkürlich dar, weil sie offenbar keinen anderen Zweck verfolgt als den, dass sich Eigentümer größerer Miteigentumsanteile auf Kosten solcher mit kleineren Anteilen schadlos halten wollen. Damit war der Änderungsbeschluss für ungültig zu erklären.
  4. Was den Beschluss zu a) (Breitbandkabelkosten) in Änderung "pro Einheit" betrifft, entspricht dieser Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung (vgl. Jennißen, § 16 Rn. 13 m.w.N.). Mit einem Kabelanschluss wird in jeder Sondereigentumseinheit derselbe Zugang zum Empfang des Programms gewährt; eine Abrechnung nach "Verbrauch" findet auch von Seiten des Kabelanbieters nicht statt. Jeder Eigentümer kann unabhängig von der Größe seines Miteigentumsanteils im selben Umfang vom Kabelempfang profitieren. Durch den Vertragsabschluss mit dem Kabelbetreiber entschließen sich Miteigentümer auch regelmäßig, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen und durch die Anmeldung einer Mehrzahl von Anschlüssen innerhalb ...

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