Auflösungsantrag

Stellt das Arbeitsgericht in einem Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung fest, erscheint oftmals eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr möglich.

Ist dem Arbeitnehmer nach Feststellung der fehlenden sozialen Rechtfertigung der Kündigung i. S. d. § 1 Abs. 1 und 2 KSchG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten, kann das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist auflösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilen (§ 9 KSchG).

Die gleiche Entscheidung hat es auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts kann von jeder Partei bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Die antragstellende Partei muss diesen auch begründen.

Stellen beide Parteien einen Auflösungsantrag, erkennen diese wechselseitig die jeweilige Behauptung an, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar und eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist. Das Gericht hat dann das Arbeitsverhältnis in jedem Fall aufzulösen. Die Gewichtung der jeweiligen Gründe kann das Gericht in die Bemessung der Höhe der vom Arbeitgeber zu zahlenden Abfindung mit einfließen lassen.

Bei Angestellten in leitender Stellung i. S. d. § 14 Abs. 2 KSchG (Berechtigung zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern) bedarf nur der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung. Stellen beide Parteien den Auflösungsantrag, löst das Gericht auch bei Angestellten in leitender Stellung das Arbeitsverhältnis ohne weitere Überprüfung auf.[1]

Pfändbarkeit der Abfindung

Die Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG ist kein Arbeitsentgelt, wohl aber Arbeitseinkommen i. S. d. § 850 ZPO. Sie ist daher grundsätzlich unbeschränkt pfändbar und kann nur auf entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers gerichtlich einem Pfändungsschutz unterstellt werden (§ 850i ZPO).[2]

Anspruchsentstehung, Ausschlussfristen und Verjährung

Der Anspruch auf Abfindung entsteht durch die Festsetzung im Urteil und wird mit diesem sofort fällig, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der festgesetzten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ab diesem Zeitpunkt kann er entsprechend der §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB verzinst werden.

Tarifliche Ausschlussfristen finden auf die durch Urteil oder auch gerichtlichen Vergleich festgesetzte Abfindung keine Anwendung, wenn dies nicht ausdrücklich in einem Tarifvertrag anders geregelt ist.[3]

Durch rechtskräftiges Urteil oder gerichtlichen Vergleich festgesetzte Abfindungen verjähren in 30 Jahren.[4]

Kriterien für die Bemessung der Höhe der Abfindung

Die Höhe der Abfindung ist vom Arbeitsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.[5] Sie muss sich am Zweck der Abfindung orientieren, dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden zu gewähren, die sich aus dem an sich nicht gerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes ergeben. Zudem ist die Abfindung eine Sanktion, die den Arbeitgeber davon abhalten soll, in Zukunft sozial ungerechtfertigte Kündigungen auszusprechen.[6]

Der Zeitpunkt für die Bewertung aller abfindungsrelevanten Faktoren ist der letzte mündliche Verhandlungstermin der Tatsacheninstanz.

Maßgeblich sind vor allem die bisherige Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Lebensalter des Arbeitnehmers – §§ 1, 7 Abs. 1 AGG verbieten das nicht, weil sich aus § 10 Nr. 6 AGG ergibt, dass die vom Alter abhängigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt bei der Bemessung der Abfindungshöhe zu berücksichtigen sind. Hiermit wird ein sozialpolitisches und legitimes Ziel verfolgt.[7]

Der Abfindungsrahmen vergrößert sich nach § 10 Abs. 2 KSchG bei höherem Lebensalter und längerer Betriebszugehörigkeit, weil der Verlust des Arbeitsplatzes einen älteren Arbeitnehmer i. d. R. härter trifft. Steht der Arbeitnehmer jedoch im Auflösungszeitpunkt kurz vor der Regelaltersgrenze, wird die Abfindung geringer ausfallen.

In der Praxis sprechen die Arbeitsgerichte bei Arbeitnehmern, die nicht kurz vor der Regelaltersgrenze stehen, häufig ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zu. Das BAG hat es offengelassen, ob § 10 Abs. 2 KSchG es erlaubt, von einer solchen "Regelabfindung" auszugehen. Jedenfalls müssen auch weitere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.[8]

Als weitere Kriterien für die Bemessung der Höhe der Abfindung gelten:

  • der Familienstand,
  • die Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen,
  • der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers,
  • dessen Stellung im Betrieb,
  • der Grad der Unwirksamkeit der Kündigung,
  • ein etwaiges Verschulden des Arbeitnehmers,
  • die Chancen, einen anderen A...

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