Leitsatz

Der BGH hat sich in dieser Entscheidung eingehend mit der Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1587b BGB auseinandergesetzt. Es ging dabei zum einen um die konkrete Feststellung ehebedingter Nachteile und ihres möglichen Abbaus, zum anderen um die sonstigen Billigkeitsgründe, die bei der Bewertung der nachehelichen Solidarität zu berücksichtigen sind.

 

Sachverhalt

Der Kläger begehrte mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des in einem Prozessvergleich von 1995 geregelten Ehegattenunterhalts.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger und die 1944 geborene Beklagte hatten im November 1967 geheiratet. Der Kläger war damals Student, die Beklagte arbeitete in ihrem erlernten Beruf als Gymnastiklehrerin. Im Juli 1971 wurde der Sohn der Parteien geboren. Die Beklagte setzte ihre Tätigkeit für drei Jahre aus und nahm sie anschließend als Teilzeitkraft wieder auf. Im Jahre 1974 trennten sich die Eheleute vorläufig, zur Jahreswende 1978/1979 endgültig. Auf den im Dezember 1980 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe im März 1982 geschieden. Die Ehefrau war von 1987 bis zum Eintritt in den Ruhestand im August 2007 vollschichtig als Gymnastiklehrerin tätig. Der Ehemann war bereits seit Oktober 2005 Rentner. Er war wiederverheiratet.

Im Juli 1995 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger u.a. verpflichtete, an die Beklagte Aufstockungsunterhalt i.H.v. 1.100,00 DM = 562,42 EUR monatlich zu zahlen. Die Beklagte trat im August 2007 in den Ruhestand.

Das AG hat der Abänderungsklage, mit der der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab August 2007 begehrte, teilweise stattgegeben und den Kläger u.a. verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt i.H.v. 396,00 EUR ab Juli 2008 zu zahlen.

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das amtsgerichtliche Urteil teilweise dahin abgeändert, dass der Kläger ab Januar 2009 nachehelichen Unterhalt i.H.v. 200,00 EUR monatlich zu zahlen hatte.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

 

Entscheidung

Der BGH hielt die Revision für begründet. Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Nach Auffassung des Senats hielten die vom OLG durchgeführten Überlegungen gemäß § 1578b BGB einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das OLG habe darauf abgestellt, dass die Ehefrau ehebedingte Nachteile erlitten habe, soweit sie in der Zeit von der Zustellung des Scheidungsantrages bis Ende 1986 nicht voll erwerbstätig gewesen sei und infolgedessen Einbußen bei der Rente - geschätzt auf 50,00 EUR bis 60,00 EUR - zu beklagen habe. Zwar werde dieser Nachteil in der Altersversorgung nicht unmittelbar vom Versorgungsausgleich umfasst, weil er nicht mehr in die Ehezeit falle, jedoch habe das Berufungsgericht verkannt, dass diese Einbuße auch anderweitig kompensiert werden könne.

Ob ehebedingte Nachteile entstanden seien, sei zu ermitteln, indem die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung ergeben hätte und die tatsächlich bestehende Lage gegenübergestellt werden müssten. Dabei könnten zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile - auch nach der Ehescheidung - kompensiert werden (BGH, Urt. v. 8.6.2011 - XII ZR 17/09, FamRZ 2011, 1381 Rz. 33).

Die Beklagte erziele infolge des Versorgungsausgleichs Renteneinkünfte, die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen lägen. Wegen des Versorgungsausgleichs erziele sie eine höhere Rente, als sie dies ohne Heirat bei durchgehender Erwerbstätigkeit getan hätte. Damit seien die vom OLG angenommenen Rentennachteile zumindest kompensiert.

Auch die vom OLG unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität durchgeführte Billigkeitsabwägung halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zutreffend sei zwar zugunsten der Beklagten berücksichtigt worden, dass diese den Kläger am Anfang der Ehe durch ihr eigenes Erwerbseinkommen sowie mit ihrer Erbschaft unterstützt habe und dass sie sich um die Kindesbetreuung gekümmert habe. Auch das Vertrauen der geschiedenen Ehefrau auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch und den Umstand, dass sie keinerlei Chancen mehr habe, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen, sei zutreffend zu ihren Gunsten gewürdigt worden. Die Tatsache, dass der Unterhaltsanspruch durch Vereinbarung festgelegt worden sei, sei bereits bei der Überprüfung der Unbilligkeit nach § 1578b BGB zu berücksichtigen.

Jedoch habe die geschiedene Ehefrau keine Dispositionen im Vertrauen auf den Unterhalt getroffen. Der BGH bewertete die vom OLG vorgenommene Billigkeitsabwägung jedoch als fehlerhaft. Es habe darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund des seinerzeit vorherrschenden Rollenverständnisses auf eine eigene berufliche Karriere verzichtet habe. Dabei habe es verkannt, dass dieser Aspekt allein für die Frage von Bedeutung sei, ob die Beklagte einen - insoweit vom Berufungsgericht verneinten - ehebedingten Nachteil erl...

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