Rz. 145

Die das Abfindungsverlangen am stärksten einschränkende Voraussetzung findet sich in § 23 Abs. 2 VersAusglG: Dem Ausgleichspflichtigen muss die Abfindung des Ausgleichsanspruchs zumutbar sein. Diese Voraussetzung dient dem Schutz des Ausgleichspflichtigen. Er soll durch die Abfindung nicht wirtschaftlich überfordert werden.

 

Rz. 146

Ob die Abfindung zumutbar ist oder nicht, richtet sich nach wirtschaftlichen Kriterien, nicht nach sonstigen Härtegründen. Diese sind vielmehr nach § 27 VersAusglG zu berücksichtigen. Zu fragen ist, ob der Ausgleichspflichtige nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen dazu in der Lage ist, den für die Abfindung zu zahlenden (meistens sehr hohen) Geldbetrag aufzubringen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nicht nur die Vermögensverhältnisse des Ausgleichspflichtigen, sondern auch seine Einkommensverhältnisse, da u.U. auch eine in Raten zu zahlende Abfindung in Betracht kommen kann (vgl. § 23 Abs. 3 VersAusglG). Einzubeziehen in die Abwägung ist v.a. auch die Frage, ob der Ausgleichspflichtige über eine ausreichende eigene Altersvorsorge verfügt, v.a. dann, wenn sich diese nicht aus einer Versorgung bei einem Versorgungsträger ergibt, sondern aus einer Ansammlung von eigenem sonstigen Vermögen, wie etwa Aktien oder Immobilien.[62] Deswegen kann auch bei einem größeren Vermögen die Abfindung eines Ausgleichsanspruchs durchaus unzumutbar sein.

 

Rz. 147

Was zumutbar ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Es dürfen weder zu großzügige Maßstäbe angelegt werden, durch welche der Ausgleichspflichtige zu sehr belastet würde noch dürfen die Maßstäbe zu locker angesetzt werden, um nicht einen Anspruch des Ausgleichsberechtigten von vornherein zum Scheitern zu verurteilen. Gegen die Zumutbarkeit sprechen im Regelfall:

die wirtschaftliche Unsinnigkeit der Veräußerung des Vermögens (z.B. Aktienverkauf in der Krise),
die Unpfändbarkeit des Vermögens,
die Notwendigkeit des Vermögens zur Sicherung der eigenen Altersversorgung des Ausgleichspflichtigen,
die Notwendigkeit, ein Versorgungsanrecht auflösen zu müssen, um die Abfindung zahlen zu können,[63]
die Notwendigkeit des Vermögens zur Wahrung der Belange der minderjährigen unverheirateten Kinder des Ausgleichspflichtigen (Hauptfall: selbst bewohnte Immobilie),
der Ausgleichspflichtige durch die Zahlung seinen angemessenen Unterhalt gefährden würde.[64]
 

Rz. 148

Nicht ausreichend, um die Zumutbarkeit der Abfindung zu verneinen, sind dagegen regelmäßig, dass

der Ausgleichspflichtige bei der Realisierung seines angelegten Vermögens Verluste erleidet,[65]
die vorzeitige Kündigung eines Spar- oder Lebensversicherungsvertrages zu Einbußen führt,
der Ausgleichspflichtige den für die Abfindung erforderlichen Betrag nicht auf einmal zahlen kann (vgl. § 23 Abs. 3 VersAusglG),
der Ausgleichspflichtige ein Darlehen aufnehmen müsste, um den Abfindungsbetrag zahlen zu können.[66]
 

Rz. 149

Für die Annahme der Zumutbarkeit der Abfindung sprechen:

das Vorhandensein von großem Bar- und Bankvermögen, das ohne Weiteres zu realisieren ist,
das Vorhandensein von erheblichen Beträgen aus dem Zugewinnausgleich oder aus der Teilungsversteigerung des gemeinsamen Hauses.[67]
[62] Vgl. zum bisherigen Recht OLG Hamm FamRZ 2005, 988.
[63] OLG Schleswig SchlHA 2011, 295; OLG Karlsruhe v. 24.10.2014 – 5 UF 21/14.
[64] OLG München FamRZ 1988, 955; OLG Hamm FamRZ 1989, 400.
[65] NK-BGB/Götsche, § 23 VersAusglG Rn 19.
[66] OLG Brandenburg NJW 2013, 177; OLG Saarbrücken FamRB 2007, 234; a.A. OLG Koblenz OLGR 2008, 473, 474.
[67] OLG Schleswig OLGR 2006, 88, 89.

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