Rz. 82

Grundsätzlich macht sich auch der Umfang der vom Schädiger auszugleichenden Heilbehandlungskosten am Gebot der "Erforderlichkeit" des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB fest. Fraglich ist dabei, wann ein Mandant aus Anlass eines Verkehrsunfalls privatärztliche Behandlungsmaßnahmen in Anspruch nehmen darf, obwohl er Kassenpatient ist. Dies ist im Normalfall abzulehnen.[106] Von diesem Grundsatz werden jedoch Ausnahmen zugelassen.[107] Beispielsweise umfasst die Haftpflicht des Schädigers die Kosten einer privatärztlichen Behandlung, wenn das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dem Geschädigten nicht zumutbar ist.[108] Ein besonderer Grund für die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer privatärztlichen Behandlung liegt ferner vor, wenn der Behandelte schwere Verletzungen erlitten hat, sich von Anfang an privat behandeln ließ, sich auch heute noch privat behandeln lässt sowie zu den ihn behandelnden Ärzten ein besonderes Vertrauen gefasst hat.[109]

 

Rz. 83

Muster 9.20: Privatärztliche Behandlung eines Kassenpatienten

 

Muster 9.20: Privatärztliche Behandlung eines Kassenpatienten

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

soweit Sie die Übernahme der durch Schreiben vom _________________________ geltend gemachten Heilbehandlungskosten ablehnen, vermag ich mich damit nicht einverstanden zu erklären. Entgegen der von Ihnen vertretenen Auffassung war die Inanspruchnahme privatärztlicher Behandlungsmaßnahmen "erforderlich" i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

Zwar trifft es zu, dass mein Mandant "lediglich" Kassenpatient ist. Dieser Umstand ist für die Pflicht zur Erstattung der von ihm in Anspruch genommenen Wahlleistungen hingegen nicht von entscheidender Bedeutung. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Geschädigte die zusätzlichen Kosten der ärztlichen Wahlleistungen auch dann getragen hätte, wenn kein eintrittspflichtiger Schädiger vorhanden gewesen wäre (Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn 231). Entscheidendes Indiz ist hierfür, ob und inwieweit sich der Verletzte auch schon in der Vergangenheit privat hat behandeln lassen (OLG München DAR 2004, 651; LG Ravensburg zfs 1981, 334). Dies ist vorliegend der Fall.

Ich weise darauf hin, dass _________________________.

Danach sind Sie zur Übernahme der geltend gemachten Kosten uneingeschränkt verpflichtet. Obwohl mein Mandant Kassenpatient ist, nahm er bereits vor dem schadenbegründenden Ereignis stets privatärztliche Wahlleistungen in Anspruch. Zum Nachweis hierfür übersende ich Ihnen beiliegend Belege für diverse ärztliche Wahlleistungen, die nur teilweise von der gesetzlichen Krankenkasse meines Mandanten übernommen wurden. Die jeweiligen Restbeträge waren stets von ihm zu tragen.

Nach alledem habe ich mir für den Ausgleich der mit _________________________ EUR bezifferten Mehrkosten eine Frist bis zum

_________________________ (14-Tages-Frist)

notiert. Nach fruchtlosem Fristablauf werde ich meinen Mandanten über die Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche informieren.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 84

Allen vorgenannten Schadenspositionen ist gemein, dass sie konkret nachzuweisen und abzurechnen sind. Eine fiktive Abrechnung ist grundsätzlich nicht möglich.[110]

 

Rz. 85

Der Geschädigte muss sich die während seines Krankenhausaufenthaltes ersparten Aufwendungen in der privaten Lebensführung im Rahmen des Vorteilsausgleichs entgegenhalten lassen.[111] In der Praxis wird hierfür ein pauschaler Betrag von 5[112] –10[113]  EUR pro Tag vom Schadensersatzanspruch des Geschädigten in Abzug gebracht.[114] Nicht erstattungsfähig ist bei einem stationären Aufenthalt ferner die Schadensposition "Zuzahlung von Krankenpflege", wenn der Verletzte aufgrund seiner Versorgung im Krankenhaus zugleich Verpflegungskosten spart, die andernfalls zu Hause angefallen wären.[115]

 

Rz. 86

Der privat krankenversicherte Mandant erhält die Behandlungskosten bei gesundem Deckungsverhältnis vom Krankenversicherer in der Regel schneller als vom Unfallgegner. Der Krankenversicherer kann – anders als der Unfallgegner – auch keinen Mithaftungseinwand erheben. Der Forderungsübergang umfasst allerdings nicht die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung.

Erhält der Mandant eine Beitragsrückerstattung für den Fall, dass die Krankenversicherung nicht in Anspruch genommen wird, kann die Beitragsrückerstattung "gerettet" werden, indem ausschließlich der Unfallgegner auf Erstattung der Behandlungskosten in Anspruch genommen wird. Eine Vorteilsanrechnung findet nicht statt. Nimmt der Mandant gleichwohl die Krankenversicherung in Anspruch, ist die ausbleibende Beitragsrückerstatt...

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