Rz. 60

6 Monate nach Vorlage des zweiten Gutachtens erfolgt die vierte mündliche Verhandlung mit der Anhörung des sachverständigen Arbeitsmediziners Prof. Dr. Z. Als Ergebnis der Beweisaufnahme ist festzustellen, dass es bei einer MdH von 30 % für den Zukunftsschaden verbleibt. Anmerkung: Die MdH ist zu gering und hätte 50 % umfassen müssen. Die Zeitfenster, die in der Vergangenheit liegen, bewertet der Sachverständige exakt so wie in seinem Gutachten, nämlich während der Dauer der stationären Aufenthalte mit 100 % und die jeweiligen Zeiträume zwischen den verschiedenen Operationen mit 90 % und dann den Zeitraum seit der letzten OP bis zur Rechtshängigkeit mit 70 % MdH.

 

Rz. 61

Nachdem der Sachverständige den Gerichtssaal verlassen hat, fragt das Gericht die Parteien, ob sie sich eine vergleichsweise Erledigung des Verfahrens vorstellen können. Daraufhin zuckt der Anwalt der Klägerin mit den Schultern und murmelt: "Will ich nicht ausschließen." Der Beklagtenvertreter hingegen holt einen Zettel aus seiner Aktentasche und erklärt, er habe in Absprache mit seiner Mandantschaft folgenden Vergleichsvorschlag zu unterbreiten:

1. Seine Mandantschaft – Fahrer sowie beklagte Versicherung – bietet als Gesamtschuldner eine weitere Schmerzensgeldzahlung in Höhe von (…) EUR – vorbehaltlos – an.
2. Die Beklagten zu 1.) und zu 2.) bieten an, den Haushaltsführungsschaden für die Vergangenheit entsprechend den Feststellungen des Gutachters – also aufgrund der dort genannten MdH für die verschiedenen Zeitfenster – auf der Basis einer 35 Stundenwoche und einem Stundenverrechnungssatz von 9,00 EUR pro Stunde die Regulierung des Haushaltsführungsschadens vorzunehmen. Für die Zukunft soll die MdH bei 20 % liegen. Dabei soll § 323 ZPO Anwendung finden und der Haushaltsführungsschaden längstens bis zum 75. Lebensjahr laufen.
3. Die Beklagten zu 1.) und zu 2.) bieten als Gesamtschuldner die vollständige Regulierung des Erwerbsschadens seit dem Ende der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis 18 Monate nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung (unter Abzug kongruenter Leistungen) an. Ein Zukunftsschaden wird nicht gesehen.
4. Für die vermehrten Bedürfnisse bieten die Beklagten zu 1.) und die 2.) als Gesamtschuldner die Zahlung eines Betrages in Höhe von (…) EUR für die Vergangenheit an und die weitere Regulierung in der Zukunft auf Nachweis. Die Abrechnung soll dann zweimal jährlich stattfinden.
5. Hinsichtlich der Ziff. 2.) und 4.) erkennen die Beklagten zu 1.) und zu 2.) diese Ansprüche mit der Wirkung eines am heutigen Tage rechtskräftigen Feststellungsurteils an.
6. Hinsichtlich der Verfahrenskosten könnten sich die Beklagten zu 1.) und zu 2.) vorstellen, dass diese von ihnen als Gesamtschuldner in Höhe von ⅔ übernommen werden, während die Klägerin ⅓ der Kosten trägt.
 

Rz. 62

Der Vorsitzende nickt zustimmend und fragt die Klägerin, ob sie dieses Angebot annehmen möchte.

 

Rz. 63

Die Klägerin ist äußerst irritiert, da sie mit einem Vergleich überhaupt nicht gerechnet hatte. Sie war fest davon ausgegangen, dass es an diesem Tage zu einem Urteil kommen würde. So wie sie den Verlauf des Verhandlungstages wahrgenommen hat, geht sie davon aus, dass das Gericht ihr heute ein weiteres Schmerzensgeld zusprechen würde, ebenfalls geht sie davon aus, dass sie ihren Haushaltsführungsschaden ersetzt bekommt. Allerdings ist sie nach der Anhörung des Sachverständigen zur Höhe der MdH doch etwas irritiert. In der Klageschrift und in seinem Gutachten finden sich ein wesentlich höherer Betrag. Was das jedoch genau für sie bedeutet, das ist ihr nicht so recht klar. Hinsichtlich des Erwerbsschadens hatte ihr der Rechtsanwalt vor der mündlichen Verhandlung am heutigen Tage erklärt, dass sie schon irgendwie zusehen sollte, von ihrem Hausarzt die vom Gutachter vorgeschlagenen Therapien verordnet zu bekommen, damit sie dann mal wieder an den Arbeitsplatz komme. Außerdem müsste sie dann in Zukunft damit rechnen, dass der Versicherer ihr mangelnde Mitwirkung vorwerfen könnte und alleine schon aus diesem Grunde die Zahlungen auf den Erwerbsschaden einstellen kann. Im Hinblick auf die von ihr bezahlten Zuzahlungen für Hilfs- und Heilmittel ebenso wie die nachgewiesenen Kilometer zu den verschiedenen Behandlungsterminen sei er – der Anwalt – ganz zuversichtlich. Daran würde das Gericht auch nicht im Urteil vorbei kommen.

 

Rz. 64

Die Klägerin ist nun sehr verunsichert. Sie weiß nicht so recht, ob das Vergleichsangebot der Gegenseite gut ist oder nicht. Sie fragt deshalb ihren Rechtsanwalt, was er ihr rät. Der sagt, es sei ihr Vergleich und er möchte dazu nichts sagen. Vor dem Termin habe er ihr schließlich erklärt, welche Möglichkeiten das Gericht für eine Entscheidung hätte. Der Vorsitzende empfindet dieses Gespräch zwischen Klägerin und Prozessbevollmächtigtem als störend und bietet an, die Sitzung für einige Minuten zu unterbrechen, damit der Prozessbevollmächtigte vor der Tür mit seiner Mandantin reden könne. Die Sitzung wird sodann für 30 Minuten unte...

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