Rz. 96

Als Druckmittel zur Bezahlung von Rückständen oder um zu verhindern, dass ein Miteigentümer weiterhin Leistungen bezieht, ohne dafür zu bezahlen, kommt für die Eigentümergemeinschaft die Verhängung einer Versorgungssperre in Betracht. Jede Wohnung wird nämlich mit Wasser und Wärme (Heizenergie) versorgt. Das sind Leistungen, die der Wohnungseigentümer nicht direkt vom Lieferanten bezieht, sondern die ihm die Gemeinschaft "liefert"; die Kosten werden über Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung aufgebracht und abgerechnet. Selbst der elektrische Strom wird unter Nutzung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Stromleitungen in die einzelne Wohnung geleitet, weshalb vertreten wird, dass auch insoweit eine Leistung der Gemeinschaft vorliegt (obwohl der Stromverbrauch vom Wohnungseigentümer direkt mit dem Versorger abgerechnet wird).[99] Kommt ein Wohnungseigentümer seinen gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Zahlungspflichten nicht nach, ist die Gemeinschaft gem. § 273 BGB berechtigt, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben und den Säumigen vom weiteren Leistungsbezug auszuschließen.[100] Dieses Verfahren wird als Versorgungssperre (oder salopp als Ausfrieren/Austrocknen) bezeichnet und hat nach der Rechtsprechung folgende Voraussetzungen:

 

Rz. 97

Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft.
Erheblicher Zahlungsrückstand in Höhe eines Betrags, der mehr als 6 Monatsbeträge des Hausgelds ausmacht.[101] Ob das aktuelle Hausgeld laufend bezahlt wird oder nicht, ist unerheblich.[102] Die Titulierung der Rückstände ist keine Voraussetzung.[103]
Androhung der Maßnahme und anschließend mindestens 2 Wochen Wartezeit. Als Androhung genügt die Beschlussfassung, wenn der betreffende Wohnungseigentümer dabei anwesend ist, andernfalls die Übersendung des Beschlussprotokolls. Dem Mieter braucht die Versorgungssperre nicht vorher angedroht werden (str.).
 

Rz. 98

Muster 9.11: Beschluss der Versorgungssperre (Einzelfall)

 

Muster 9.11: Beschluss der Versorgungssperre (Einzelfall)

Aufgrund der Zahlungsrückstände des Eigentümers A (derzeit 4.753,00 EUR) wird beschlossen, die Wohnung Nr. 4 von der Heiz-, Warmwasser- sowie Kaltwasserversorgung abzutrennen. Die Verwaltung gibt die Arbeiten bei einer Fachfirma in Auftrag, sofern Herr A nicht innerhalb der nächsten 2 Wochen (oder, wenn A nicht in der Versammlung anwesend ist: innerhalb von 2 Wochen, nachdem ihm das Protokoll dieser Versammlung zugegangen ist) seine Rückstände bezahlt.

Die Versorgungssperre wird durch die Verwaltung nach ihrem Ermessen aufgehoben, wenn keine Zahlungsrückstände mehr bestehen, oder wenn die Rückstände regelmäßig und nachhaltig abgezahlt werden, oder wenn ein Eigentumswechsel stattfindet. Im Falle des Auszugs von Herrn A wird die Verwaltung beauftragt, die Zwangsverwaltung der Wohnung zu beantragen. Bei Vermietung im Wege der Zwangsverwaltung ist die Versorgungssperre ebenfalls aufzuheben.

Die Kosten für die Durchführung dieses Beschlusses werden der Erhaltungsrücklage entnommen. Erstattungen sind wieder der Erhaltungsrücklage zuzuführen. Sollte die Wohnung nur vom Sondereigentum aus mit Sperrvorrichtungen versehen werden können und sollte Herr A das Betreten der Wohnung durch die beauftragte Fachfirma zusammen mit einem Vertreter der Verwaltung zum Zwecke der Installierung der Sperrvorrichtungen verweigern, soll die Betretungsbefugnis gerichtlich erzwungen werden.

Soweit zur Durchführung dieses Beschlusses rechtliche Schritte erforderlich werden, soll die Verwaltung das Rechtsanwaltsbüro Dr. Schlau beauftragen. (Fortsetzung → § 3 Rdn 68).

 

Rz. 99

Die Androhung bzw. Verhängung einer Versorgungssperre beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen kann auch im Voraus als Dauerregelung beschlossen werden,[104] was bei größeren Anlagen mit häufig auftretenden Zahlungsausfällen sinnvoll sein kann.

 

Rz. 100

Muster 9.12: Beschluss der Versorgungssperre (Dauerregelung)

 

Muster 9.12: Beschluss der Versorgungssperre (Dauerregelung)

Die Verwaltung wird beauftragt, bei Hausgeldrückständen eines Miteigentümers, die 2.000,00 EUR übersteigen, die betreffende Einheit durch eine Fachfirma von der Heiz-, Warmwasser- sowie Kaltwasserversorgung abtrennen zu lassen. Die Versorgungssperre ist dem betreffenden Wohnungseigentümer mindestens zwei Wochen vorher anzukündigen. [Fortsetzung wie im Muster → § 9 Rdn 98]

 

Rz. 101

Muster 9.13: Antrag einer Klage zur Durchsetzung der Versorgungssperre

 

Muster 9.13: Antrag einer Klage zur Durchsetzung der Versorgungssperre

Der Beklagte wird verurteilt, das Betreten seiner Wohnung Nr. 4 im Haus Heinestr. 12, 75234 Musterstadt durch einen Mitarbeiter der WEG-Verwaltung X-Immobilien GmbH zusammen mit Mitarbeitern des Sanitärunternehmens Saniglück GmbH zu dulden und diesen Personen den Zugang zur Wohnung zu verschaffen, damit in der Wohnung Vorrichtungen zur Unterbrechung der Versorgung mit Heiz-, Warm- und Kaltwasser installiert werden können.

 

Rz. 102

Das örtliche Baurechtsamt kann ggf. nach Landesrecht (Polizei- oder Wohnungsaufsichtsgesetz) aus öffentlich-r...

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