A. Überblick

 

Rz. 1

Ehesachen sind Verfahren auf

Scheidung der Ehe (§ 121 Nr. 1 FamFG),
Aufhebung der Ehe (§ 121 Nr. 2 FamFG),
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe (§ 121 Nr. 3 FamFG).
 

Rz. 2

Als isolierte Verfahren kommen Ehesachen in der Praxis selten vor, da in der Regel der Amtsverbund (§ 137 Abs. 1 FamFG) greift und zumindest der Versorgungsausgleich mit zu regeln (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG) – jedenfalls zu tenorieren – ist (§ 224 Abs. 3 FamFG).

 

Rz. 3

In den folgenden Abrechnungsbeispielen soll jeweils von einem solchen Fall der isolierten Ehesache ausgegangen werden. Zur Abrechnung des Verbundverfahrens siehe § 10 Rdn 94 ff.

 

Rz. 4

Die Gebühren des Anwalts richten sich nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen kann eine Aussöhnungsgebühr nach Nr. 1001 VV. Eine Einigungsgebühr in der Ehesache selbst ist ausgeschlossen Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV.

B. Gegenstandswert

I. Überblick

 

Rz. 5

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 43 FamGKG. Dieser Wert gilt auch für die Aussöhnungsgebühr (Nr. 1001 VV).

II. Ehesache

1. Überblick

 

Rz. 6

Abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten (§ 43 Abs. 1 FamGKG).

 

Rz. 7

Der Wert beträgt mindestens 3.000,00 EUR und höchstens 1 Mio. EUR (§ 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG).

2. Berücksichtigungsfähige Kriterien

a) Einkommensverhältnisse

 

Rz. 8

Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse ist auf das dreifache Nettoeinkommen der Ehegatten abzustellen (§ 43 Abs. 2 FamGKG). Zu Einzelheiten siehe § 10 Rdn 12 ff.

b) Vermögensverhältnisse

 

Rz. 9

Die Vermögensverhältnisse beider Eheleute sind ebenfalls zu berücksichtigen, allerdings erst, wenn sie einen bestimmten Freibetrag überschreiten. Siehe hierzu auch die umfassende Darstellung in § 10 Rdn 25 ff.

c) Lebensgestaltung der Beteiligten

 

Rz. 10

Weicht die Lebensgestaltung der Eheleute von durchschnittlichen Verhältnissen ab, so kann dies ebenfalls bei der Bemessung des Verfahrenswerts zu berücksichtigen sein.

d) Bedeutung der Sache

 

Rz. 11

Bei der Bedeutung der Sache können sich die Lebensstellung der Eheleute und die Dauer der Ehe auf die Bemessung des Verfahrenswerts auswirken (siehe ausführlich § 10 Rdn 29).

e) Umfang der Sache

 

Rz. 12

Eine ungewöhnliche Härte in der Verfahrensführung, Auslandsbezüge, außergewöhnlicher Arbeitsaufwand etc. können ebenfalls in die Verfahrenswertbemessung einfließen.

f) Einverständliche Scheidung

 

Rz. 13

Eine einverständliche Ehescheidung stellt den Durchschnittsfall dar, so dass dieses Kriterium keine Auswirkungen auf die Bemessung des Verfahrenswerts haben sollte.

g) Verfahrenskostenhilfe

 

Rz. 14

Auch wenn beiden beteiligten Ehegatten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, ist regelgerecht nach den Kriterien des § 43 FamGKG zu bewerten. Der pauschale Ansatz lediglich des Mindestwerts ist nicht gerechtfertigt.[1]

[1] Thiel, Verfassungswidrigkeit des Mindeststreitwerts in Ehesachen, AGS 2009, 257.

III. Hilfsantrag

 

Rz. 15

Wird primär Aufhebung der Ehe beantragt und hilfsweise die Scheidung, gilt § 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG. Der Wert der Scheidung wird dem Wert der Aufhebung hinzugerechnet, wenn darüber entschieden wird. Es gilt nicht § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Aufhebung und Scheidung betreffen nicht denselben Gegenstand i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG.

 

Beispiel 1: Aufhebung der Ehe, hilfsweise Scheidung

Die Ehefrau beantragt die Aufhebung der Ehe und hilfsweise die Scheidung. Das FamG hält den Aufhebungsantrag für unbegründet und spricht die Scheidung aus. Die Eheleute haben ein gemeinsames monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 5.000,00 EUR.

Sowohl der Wert des Aufhebungsantrags als auch der des Scheidungsantrags beträgt 15.000,00 EUR. Der Gesamtwert beträgt somit nach § 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG 30.000,00 EUR.

IV. Wechselseitige Scheidungsanträge

 

Rz. 16

Werden wechselseitig Scheidungsanträge gestellt, so gilt § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Die Werte beider Anträge werden nicht zusammengerechnet; es gilt der höhere Wert, wobei hier wegen § 34 S. 1 FamGKG unterschiedliche Werte kaum denkbar sind, da alle Ehesachen auf den Zeitpunkt der ersten Antragstellung zu bewerten sind.

 

Beispiel 2: Wechselseitige Scheidungsanträge

Der Ehemann reicht den Scheidungsantrag ein. Der Wert wird bezogen auf die Einkommensverhältnisse zum Tag der Einreichung mit 6.000,00 EUR festgesetzt. Später stellt die Ehefrau ebenfalls den Scheidungsantrag. Zwischenzeitlich haben sich die Einkommen der Ehegatten erhöht.

Die Werte der beiden Scheidungsanträge werden nicht addiert; gem. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG gilt der höhere Wert. Da nach § 34 S. 1 FamGKG aber immer auf den "ersten Zeitpunkt" der Antragseinreichung abzustellen ist, bleiben die geringeren Einkommensverhältnisse maßgebend. Der Wert beträgt also 6.000,00 EUR.

V. Wechselseitige Anträge auf Scheidung und auf Aufhebung der Ehe

 

Rz. 17

Wird wechselseitig einerseits Scheidung und andererseits Aufhebung der Ehe beantragt, gilt § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Die Werte werden zusammengerechnet, da es sich um verschiedene Gegenstände handelt. Aufhebung und Scheidung sind nicht derselbe Gegenstand i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Soweit der Scheidungsantrag allerdings als Hilfswiderantrag geltend gemacht wird, gilt § 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG, so dass der Antrag bei der Bewertung nur zu berücksichtigen ist, wenn darüber entschieden wird.

 

Beispiel 3: Wechselseitige Anträge auf Scheidung und auf A...

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