Rz. 34

Hat sich der Beklagte in einer Urkunde verpflichtet, jeden Betrag bis zu der vereinbarten Gesamthöhe auf erstes Anfordern zu zahlen, so kann auch diese Forderung im Urkundenprozess geltend gemacht werden.

 

Rz. 35

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern wird in erster Linie im bankgeschäftlichen Verkehr verwendet. Eine solche Verpflichtung hat regelmäßig zur Folge, dass der Bürge sofort zahlen muss und alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art grundsätzlich auf den Rückforderungsprozess verlagert werden.[48]

 

Rz. 36

 

Hinweis

Dies hat für den Kläger den Vorteil, dass er zum Zeitpunkt des Urkundenprozesses bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht einmal das Bestehen und die Fälligkeit der zugrunde liegenden – verbürgten – Forderung darlegen und beweisen muss. Allerdings muss die Schadensersatzpflicht nach § 600 Abs. 2 i.V.m. § 302 Abs. 4 S. 3 ZPO beachtet werden, wenn dies auch im weiteren Verfahren nicht gelingt.

 

Rz. 37

Hat sich der Bürge in der Bürgschaftsurkunde, die dem Wortlaut des § 648a BGB folgt, zur Zahlung verpflichtet, soweit der Auftraggeber den Vergütungsanspruch des Unternehmers anerkennt, und hat der Auftraggeber ein eigenes Aufmaß und eine eigene Abrechnung erstellt und Zahlung angekündigt, so ist eine Klage gegen den Bürgen ebenfalls im Urkundenprozess zulässig, da das Anerkenntnis in Form der Abrechnung als einzige Zahlungsvoraussetzung in Urkundenform vorliegt.[49]

 

Rz. 38

Der Urkundenprozess ist dagegen nicht statthaft für die Rückgriffsforderung des in Anspruch genommenen Bürgen oder des Hauptschuldners gegen den Bürgschaftsgläubiger.[50] Der BGH begründet dies damit, dass die innere Rechtfertigung des Urkundenprozesses und seines Vollstreckungsprivilegs in Form des Vorbehaltsurteils in der generell erhöhten Erfolgswahrscheinlichkeit des von Urkunden gestützten Rechtsschutzbegehrens und der erfahrungsgemäß seltenen Einleitung von Nachverfahren liegt. Diese Rechtfertigungsumstände würden in den Fällen der Rückgriffsforderung verfehlt und der Rechtsschutz des Rückforderungsbeklagten würde durch die Wirkungen der §§ 595 Abs. 2, 598 ZPO unangemessen beschränkt.

 

Rz. 39

Der entgegenstehenden Auffassung im Schrifttum[51] ist der BGH mit dem zutreffenden Argument entgegengetreten, dass sich anderenfalls die An- und Rückforderung der Bürgschaft in einem Kreislauf ständig wiederholen könnten.

 

Rz. 40

 

Hinweis

Der BGH hat in der zitierten Entscheidung allerdings offen gelassen, ob anderes dann gelten kann, wenn der Rückforderungskläger, auch soweit der Hauptschuldner aus eigenem Recht vorgeht, weitere Urkunden vorlegt, die den Eintritt des materiellen Bürgschaftsfalles – abweichend von der Beweislast – widerlegen können.

[48] BGH NJW 1994, 380, 381; BGH ZIP 1996, 2062, 2063; BGH ZIP 1997, 582, 583 f.
[49] LG Dessau BauR 2006, 1518 = IBR 2006, 556.
[50] BGH NJW 2001, 3549 = MDR 2002, 43 = BGHZ 148, 283; a.A. Lang, WM 1999, 2329, 2335, diesem – auch nach der Entscheidung des BGH – zustimmend: Musielak/Voit, § 592 Rn 15 Fn 72.
[51] Lang, WM 1999, 2329, 2335, diesem – auch nach der Entscheidung des BGH – zustimmend: Musielak/Voit, § 592 Rn 15 Fn 72.

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