Rz. 22

Unterliegt eine Familiensache dem Anwaltszwang, so ist dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt beizuordnen (§ 78 Abs. 1 FamFG). Dies ist der Fall, wenn die Kindschaftssache im Scheidungsverbund anhängig ist (§ 114 Abs. 1 FamFG).

 

Rz. 23

Ist eine anwaltliche Vertretung gesetzlich nicht vorgeschrieben – so in isoliert geführten Kindschaftssachen –, ist ein Anwalt beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 78 Abs. 2 FamFG).[96] Bis zur Entscheidung über das Beiordnungsgesuch kann der Gesuchsteller jederzeit – auch konkludent – die Benennung des ihm nach seiner Wahl beizuordnenden Rechtsanwalts ändern.[97] Eine Entpflichtung eines bereits beigeordneten Rechtsanwalts kann nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 BRAO erfolgen.[98] Sie kann sowohl vom beigeordneten Rechtsanwalt als auch von dem Beteiligten, dem er beigeordnet worden war, beantragt werden.[99] Von der Aufhebung der Beiordnung zu unterscheiden ist die Frage, ob der Beteiligte nach der Entpflichtung seines bisherigen Rechtsanwalts einen Anspruch darauf hat, dass ihm ein neuer Anwalt beigeordnet wird. Da ein Wechsel in der Person des beigeordneten Anwalts regelmäßig mit Mehrkosten für die Staatskasse verbunden ist, bedarf es hierfür eines triftigen Grundes. Erforderlich sind besondere Umstände, die auch einen nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesenen Beteiligten veranlasst hätten, sich von seinem Verfahrensbevollmächtigten zu trennen. Ein solcher Umstand kann insbesondere dann gegeben sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tiefgreifend zerrüttet ist. Auch in einem solchen Fall kann jedoch nicht stets die Beiordnung eines neuen Verfahrensbevollmächtigten verlangt werden. Ist die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses auf ein sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten des Beteiligten zurückzuführen, besteht kein Anlass, diesem zu Lasten der Staatskasse einen neuen Anwalt beizuordnen.[100] Die Beiordnung eines neuen Anwalts kommt indes auch ohne Vorliegen eines triftigen Grundes in Betracht, wenn durch den Anwaltswechsel für die Staatskasse keine Mehrkosten entstehen, weil der neue Verfahrensbevollmächtigte auf diejenigen Gebühren verzichtet, die der zuerst beigeordnete Anwalt bereits verdient hat. In diesem Fall ist – auch mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutzgleichheit zwischen dem bemittelten und dem unbemittelten Verfahrensbeteiligten – grundsätzlich kein sachlicher Grund gegeben, der es rechtfertigt, dem Beteiligten die Möglichkeit zu versagen, sich künftig durch einen anderen Anwalt seiner Wahl vertreten zu lassen.[101]

 

Rz. 24

Bei der Schaffung dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber bewusst ausschließlich auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abgestellt und wollte die Erforderlichkeit einer Anwaltsbeiordnung nach objektiven Kriterien beurteilt sehen. Die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten rechtfertigt nach Auffassung des Gesetzgebers die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf der Grundlage bewilligter Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht. Aufgrund der gesetzgeberischen Absicht, die Beiordnung von Rechtsanwälten zu beschränken, ist die Erforderlichkeit der Beiordnung an einem engen Maßstab zu messen.[102] Verfolgen etwa die Beteiligten im Wesentlichen gleichgerichtete Interessen, so wird eine Beiordnung eher nicht in Betracht kommen.[103] Auch den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der nach dem bis zum 31.8.2009 anzuwendenden Recht die Beiordnung eines Rechtsanwalts dann zwingend vorsah, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten war – § 121 Abs. 2 Fall 2 ZPO – hat der Gesetzgeber bewusst für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen nunmehr alle Abstammungssachen gehören, aufgegeben.[104]

 

Rz. 25

Allerdings werden gegen § 78 Abs. 2 FamFG teilweise verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, weil nach seinem Wortlaut die subjektiven Fähigkeiten des um Beiordnung eines Rechtsanwalts nachsuchenden Beteiligten nicht mehr berücksichtigt würden und außerdem jedenfalls im kontradiktorischen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeschadet des darin nach § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsprinzips der Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung verfassungsrechtlich gebiete, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten sei.[105] Die Waffengleichheit ist allerdings verfassungsrechtlich als solche nicht verbrieft,[106] so dass § 78 Abs. 2 FamFG insoweit unbedenklich ist. Demgegenüber mahnt das BVerfG aufgrund der durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbrieften Rechtsschutzgleichheit[107] bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, auch die Berücksichtigung der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken, an.[108] Es stellt sich die Frage, ob eine verfassungskonforme Auslegung angesichts des insoweit klaren, entgegengesetzten Willens des Gesetzge...

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