1. Notarielle Schweigepflichten

 

Rz. 107

Der Notar unterliegt gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BNotO der Schweigepflicht. Dies bedeutet, dass der Notar zu Umständen der Beurkundung, u.a. über seine Wahrnehmungen betreffend die Geschäfts- und Testierfähigkeit, vor Gericht oder gegenüber einem Beteiligten außerhalb eines Rechtsstreits erst Angaben machen kann, wenn er von der Schweigepflicht entbunden worden ist. Das Zeugnisverweigerungsrecht des Notars gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO umfasst sowohl Umstände der Beurkundungsverhandlung[206] als auch schriftliche Änderungsvorschläge, die dem Notar zur Vorbereitung des Beurkundungstermins übersandt wurden. Daran ändert sich auch nichts, wenn diese Schriftstücke vor der Beurkundung anderen Urkundsbeteiligten oder ihren anwaltlichen Vertretern zugänglich gemacht werden sollten.[207]

 

Rz. 108

Die Entbindung von der Schweigepflicht erfolgt gem. § 18 Abs. 2 BNotO in der Regel durch die Beurkundungsbeteiligten selbst. Kann die Entbindungserklärung von einem Beteiligten nicht beigebracht werden, da dieser verstorben ist oder eine Äußerung von ihm nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten erlangt werden kann, so kann der Notar stattdessen von der Aufsichtsbehörde, gem. § 92 BNotO der Präsident des Landgerichts, der Präsident des Oberlandesgerichtes oder der Landesjustizverwaltung, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat, von der Schweigepflicht entbunden werden.

 

Rz. 109

Gerade bei außergerichtlicher Streitschlichtung, etwa durch einen Testamentsauslegungsvertrag (Erbschaftsvergleich), aber auch bei einem Erbschaftsschiedsgericht kommt die Einholung einer Auskunft bei dem Notar in Betracht, der eine Verfügung von Todes wegen beurkundet hat. Auch in diesen Fällen ist eine Befreiung des Notars von der Schweigepflicht erforderlich, aber auch möglich.

 

Praxistipp

In Baden-Württemberg gab es bis zum 31.12.2017 auch beamtete Notare (vgl. § 117 BNotO a.F.). Diese waren nicht nur von der Schweigepflicht gem. § 18 BNotO zu befreien, sondern auch von der beamtenrechtlichen Schweigepflicht nach § 37 Abs. 1 BeamtStG. Dafür ist der Dienstherr gem. § 37 Abs. 3 S. 2 BeamtStG zuständig. Mit Beendigung des Dienstverhältnisses bleibt gem. § 37 Abs. 1 S. 2 BeamtStG die Verschwiegenheitspflicht über dienstliche Angelegenheiten bestehen. Ehemalige Beamte müssen somit auch nach ihrer Entlassung grundsätzlich zusätzlich von ihrem letzten Dienstherrn von der Schweigepflicht entbunden werden. Seit dem 1.1.2018 werden auch die Notare in Baden-Württemberg gem. § 3 BNotO bestellt, daneben sind die Vorschriften des § 117 Abs. 2–7 BNotO zu beachten.

Vereinzelt geht die Rechtsprechung davon aus, dass bezüglich der Fragen der Geschäfts- und Testierfähigkeit sowie der sonstigen Umstände über das Zustandekommen einer Verfügung von Todes wegen von einer stillschweigenden Entbindung des Notars und eines Rechtsanwalts von ihrer Schweigepflicht von Seiten des Erblassers ausgegangen werden könne.[208] Dies erscheint jedoch zu weitgehend. Gerade bei der Verschwiegenheitspflicht des Notars wird in der Praxis grundsätzlich die Befreiungsmöglichkeit durch die Aufsichtsbehörde gem. § 18 BNotO wahrgenommen.

[206] BGH DNotZ 2005, 288 = NJW 2005, 1948; Zöller/Greger, § 384 ZPO Rn 20a.

2. Ärztliche Schweigepflichten

 

Rz. 110

Der behandelnde Arzt kann als sachverständiger Zeuge (§ 414 ZPO) vernommen werden. Er kann aufgrund seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht die Aussage verweigern gem. § 30 Abs. 1 FamFG, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, denn die ärztliche Schweigepflicht endet nicht mit dem Tod seines Patienten, sondern besteht darüber hinaus. Sollte der Arzt aussagen, ohne von seiner Schweigepflicht entbunden zu sein, würde er den Tatbestand der Verletzung von Privatgeheimnissen § 203 Abs. 4 StGB erfüllen. Umstände, die die Testierfähigkeit betreffen, gehören zu der ärztlichen Schweigepflicht und sind dem Arzt auch dementsprechend anvertraut.[209] Folglich ist der Arzt gem. § 385 Abs. 2 ZPO von seiner Schweigepflicht zu entbinden.

 

Rz. 111

Da die ärztliche Schweigepflicht nicht mit dem Tode des Patienten endet, hätte der Arzt vom Erblasser persönlich von der Schweigepflicht entbunden werden müssen, denn diese Befreiungsbefugnis geht nicht auf die Erben über, da die Testierfähigkeit eine höchstpersönliche Angelegenheit darstellt, die nicht der Rechtsfolge des § 1922 BGB unterliegt.[210] Es ist somit auf den Willen des Erblassers abzustellen, d.h. zunächst ist die Frage zu erörtern, ob der Erblasser zu Lebzeiten gegenüber dem Arzt oder einem Dritten eine ausdrückliche oder konkludente Befreiung von der Schweigepflicht vorgenommen hat. Wenn dies nicht der Fall ist, kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers an, d.h. es muss geklärt werden, ob er eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht billigen oder missbilligen würde.[211] In der Regel wird angenommen, dass der Erblasser ein Interesse an der Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit seiner Verfügung von Todes wegen gehabt habe.[212] Aufgrund desse...

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